lautstark. 27.06.2025

Wie digital ist Schule in NRW?

Digitalität im UnterrichtMedienkompetenzDigitale AusstattungFortbildungChancengleichheitPolitische Bildung

Digitales Lehren und Lernen braucht einheitliche Standards

Mit der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung an Nordrhein-Westfalens Schulen einen Schub bekommen. Eine solide Grundausstattung ist inzwischen vielerorts vorhanden. Trotzdem sind regionale Begebenheiten und Eigeninitiative der Lehrkräfte entscheidend dafür, wie gut das digitale Lehren und Lernen funktioniert. Damit Schüler*innen profitieren, braucht es Fortbildungen für Lehrkräfte – und eine Perspektive, wie es weitergeht.

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  • Ausgabe: lautstark. 03/2025 | Digitalisierung in Schule: Zeit für eine neue Lernkultur
  • Autor*in: Anne Petersohn
  • Funktion: freie Journalistin
Min.

Wenn an der Schule Auguststraße der Router streikt, geht Jean-Dirk Rathke auf eigene Faust auf Fehlersuche. Gemeinsam mit einem Kollegen hat sich der Leiter der Kölner Förderschule auf das Beheben technischer Störungen im Schulgebäude spezialisiert. „Digitalisierung ist mein Steckenpferd“, sagt der Pädagoge. „Deshalb habe ich von Anfang an versucht, für meine Schule eine gute und funktionierende Ausstattung in diesem Bereich an den Start zu bringen.“ 

In Vor-Corona-Zeiten gab es in jedem Klassenraum eine Medienecke und zusätzlich einen zentralen Computerraum. Im Zuge der Pandemie konnte die Schule Tablets für alle Schüler*innen und Lehrkräfte anschaffen. „Außerdem haben wir jetzt Whiteboards in jedem Klassenraum, auf denen wir die iPads spiegeln können“, erzählt Jean-Dirk Rathke. Über den DigitalPakt Schule habe man auch ein festes Budget für Software erhalten. „Damit waren und sind wir eigentlich gut ausgestattet.“ 

Digitalisierung an Schulen umfasst mehr als die Ausstattung mit Geräten

Anträge für Neuanschaffungen seien über das Schulverwaltungsamt weitgehend unkompliziert bewilligt worden. Eine technische Tochterfirma stehe zudem für den Support der vorhandenen Ausstattung zur Verfügung. Manches lasse sich per Fernwartung lösen; für komplexere Sachverhalte müsse man den Arbeitsauftrag schriftlich über ein sogenanntes Ticketsystem übermitteln. „Dann kann man innerhalb von drei bis vier Tagen mit Hilfe vor Ort rechnen.“ Mit der Optimierung des Breitbandanschlusses werde aktuell eine der letzten Schwachstellen behoben. „Die Kreidetafel ist Geschichte, und mittlerweile haben wir eine relativ hohe Sicherheit, dass wir sie auch nicht mehr brauchen.“ 

Um das digitale Lehren und Lernen weiter voranzutreiben, hat die Schule Auguststraße ein Medienkonzept erarbeitet. Ein Medienberater der Bezirksregierung stand mit Expertise zur Seite; die geplanten Schritte werden nun mit dem Schulträger abgestimmt. Denn eine Fortführung der vorhandenen Ansätze sei unbedingt wünschenswert, betont Jean-Dirk Rathke: „Wir haben Schüler*innen mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung. Mit den mobilen Endgeräten können viele von ihnen wesentlich störungsfreier arbeiten.“ Zeitgleich brauche es aber unbedingt geschultes Personal, das die Technik gewinnbringend einsetzen könne. „Da fehlt uns Fortbildung – und vor allem auch die Zeit dafür.“

Was ist der DigitalPakt Schule?

Der DigitalPakt Schule wurde 2019 auf Bundesebene verabschiedet, um Länder und Kommunen beim Aufbau einer „zeitgemäßen digitalen Bildungsinfrastruktur“ zu unterstützen – zunächst mit 5 Milliarden Euro, später, im Zuge der Corona-Pandemie, mit weiteren 1,5 Milliarden Euro. 1,37 Milliarden Euro flossen allein nach NRW. Mit dem Digitalpakt 2.0 beschloss die alte Bundesregierung im Dezember 2024 eine Fortführung der Initiative. Vorgesehen ist eine Investition von weiteren 5 Milliarden Euro, die gleichmäßig zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden sollen. Über Art und Umfang der Umsetzung muss nun die neue Bundesregierung entscheiden.

Weitere Informationen zum DigitalPakt Schule

Uneinigkeit zwischen Land und Kommunen bringt Digitalisierungsprozess ins Stocken

Mit dem Ende der Pandemie sei der Digitalisierungsprozess vielerorts ins Stocken geraten, weiß Jean-Dirk Rathke, der auch Sprecher der Kölner Förderschulen ist. „Unser Problem ist, dass der Digitalpakt 2.0 noch nicht bei den Schulträgern angekommen ist.“ Land und Kommune seien uneins darüber, wer für anfallende Kosten im laufenden Betrieb aufkommen müsse. „Selbst bei Zuwachs im Kollegium oder beim Defekt eines Geräts haben wir deshalb keine Möglichkeit, Ersatz zu beschaffen.“ Ohnehin seien die vorhandenen Tablets für viele Arbeitsbereiche – etwa für das Schreiben von Gutachten oder Förderplänen – ungeeignet. Und angesichts des Haushaltsdefizits habe die Stadt Köln auch die Mittel für die Instandhaltung der vorhandenen Geräte eingefroren. 

„Dadurch sind unsere Spielräume deutlich geringer geworden – auch wenn ich immer noch von Jammern auf hohem Niveau sprechen würde.“ Jean-Dirk Rathkes Aussagen decken sich mit den Aussagen von Privatdozentin Dr. Ramona Lorenz. An der TU Dortmund beschäftigt sie sich mit empirischer Schul- und Unterrichtforschung und dem Einsatz digitaler Medien im Unterricht. Die Erziehungswissenschaftlerin verweist auf die Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study, kurz ICILS 2023. ICILS untersucht, inwiefern Achtklässler*innen Computer und neue Technologien für Recherchen nutzen und die Informationen gewinnbringend in ihrem Alltagsleben einsetzen können. Darüber hinaus werden die Rahmenbedingungen des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien erfasst.

Im Bundesländervergleich belegt NRW bei der IT-Ausstattung der Schulen einen mittleren Platz

„Im internationalen Vergleich kann für die weiterführenden Schulen festgehalten werden, dass Nordrhein-Westfalen mit Blick auf das mittlere IT-Ausstattungsverhältnis international anschlussfähig ist und sogar einen Ausstattungsvorsprung erreicht hat“, betont Ramona Lorenz. Verglichen mit anderen Bundesländern lande NRW im Mittelfeld, wenn es um den technischen Stand der Geräte, eine ausreichende IT-Ausstattung und den Internetzugang an Schulen gehe. Dabei seien weiterführende Schulen im Mittel besser ausgestattet als Grundschulen. „An Grundschulen existieren eher Computerräume, während an weiterführenden Schulen vermehrt mobile Endgeräte vorhanden sind“, sagt Ramona Lorenz. Natürlich sei eine verlässliche Ausstattung noch keine Garantie dafür, dass digitale Lehr- und Lernprozesse gefördert würden. „Dennoch gilt sie als notwendige Bedingung für einen entsprechenden Unterricht.“

Ein zentraler Schwachpunkt sei vielerorts ein nicht ausreichend stabiles WLAN, das gleichzeitig für mehrere Lerngruppen und in verschiedenen Trakten eines Schulgebäudes verfügbar sei. „Von Schulen werden außerdem langwierige administrative Prozesse beklagt, wenn es um die Anschaffung digitaler Ausstattung geht“, sagt die Erziehungswissenschaftlerin. Sie sieht eine der größten Herausforderungen darin, „die digitale Ausstattung zu warten, zu aktualisieren und an die pädagogischen Bedarfe anzupassen“. Hier bräuchten Schulen mehr Unterstützung. Zudem zeige der Länderindikator 2021 einen deutlichen Bedarf an Fortbildungen für Lehrkräfte in diesem Bereich.

Das betont auch der stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW, Stephan Osterhage-Klingler. „Digitalisierung kann beim Lernen helfen, ist aber auch ein neuer Lerninhalt – sowohl für Schüler*innen als auch für Lehrkräfte“, betont der Experte. Mitarbeitende an Schulen müssten die Möglichkeit erhalten, sich in ihrer Arbeitszeit zum Thema fortzubilden. Damit sollten sie in die Lage versetzt werden, Kindern und Jugendlichen einen sinnvollen Umgang mit Smartphone, Tablet und Künstlicher Intelligenz zu vermitteln. „Schüler*innen sollten Inhalte nicht einfach unkritisch übernehmen – gerade auch mit Blick auf das wichtige Thema Demokratieförderung.“

GEW NRW plädiert für Vereinheitlichung von Hard- und Software an allen Schulen

Der DigitalPakt Schule habe vielen Schulen zu einer soliden technischen Grundausstattung verholfen. Nun aber fehlten die finanziellen Mittel, um das Vorhandene an neue Bedarfe anzupassen und auch Ersatzbeschaffungen zu tätigen. Zudem sei die IT-Ausstattung von Schule zu Schule verschieden. „Hier fehlten leider klare Mindestvorgaben, was angeschafft werden sollte“, sagt Stephan Osterhage-Klingler. Die große Vielfalt unterschiedlicher Geräte und Software-Anwendungen müsse dringend vereinheitlicht werden. „Digitales Lernen hängt stark von der Software ab, und da fehlt ein roter Faden. 

Mit LOGINEO NRW gibt es eine vom Land geprüfte, datenschutzkonforme Plattform, die alle Schulen nutzen sollten. Hierfür muss LOGINEO NRW aber dringend weiterentwickelt werden.“ Die Digitalstrategie Schule NRW biete erste gute Ansätze, habe aber längst nicht alle Bereiche des Digitalisierungsprozesses erfasst. „Ein Beispiel ist der First-Level-Support für die Hardware an Schulen: Er muss vor Ort geleistet werden, aber die Vorgaben stammen aus dem Jahr 2008. Das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.“

Chancengleichheit benötigt eine systematische digitale Ausstattung von Schulen

Für die Zukunft wünscht sich der stellvertretende Vorsitzende eine „Verantwortungsgemeinschaft“ aus Bund, Ländern und Kommunen. Nur so könne der Digitalisierungsprozess an Schulen nachhaltig vorangetrieben werden. Der Digitalpakt 2.0 – derzeit noch unter Finanzierungsvorbehalt – sehe eine spezielle Förderung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche vor. Nicht nur vor diesem Hintergrund sei eine schnelle und systematische Umsetzung wichtig. Denn langfristig müssten alle Schulen, unabhängig von regionalen und personellen Begebenheiten, eine angemessene Ausstattung für das digitale Lehren und Lernen erhalten – inklusive der dazugehörigen regelmäßigen Wartung.

Lernbedingungen dürften nicht mit der Finanzkraft des Schulträgers und der Schulform im Zusammenhang stehen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW. „Wenn wir Chancengleichheit ermöglichen wollen, dann kann es nicht sein, dass Schüler*innen abhängig von der besuchten Schulform oder dem Wohnort unterschiedliche Voraussetzungen vorfinden. Hier besteht weiterhin großer Handlungsbedarf.“ Das zeigten nicht zuletzt die Ergebnisse der ICILS-Studie: Dort erzielten Gymnasiast*innen im Schnitt deutlich bessere Ergebnisse als Kinder und Jugendliche anderer Schulformen. 

Was ist die Digitalstrategie Schule NRW?

Mit der Digitalstrategie Schule NRW investiert das Land bis Ende des Jahres 2025 rund zwei Milliarden Euro in das Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Die Strategie beschreibt, was im Zusammenhang mit der Digitalisierung an Schulen wichtig ist, und gibt einen Überblick über denkbare Maßnahmen. Schulen sollen daraus Ideen für Unterrichts- und Schulentwicklungsprozesse entwickeln. Dabei werden drei zentrale Handlungsfelder erfasst:

  • das Lernen und Lehren,
  • die Unterstützung und Qualifizierung von Lehrkräften sowie
  • der Ausbau digitaler Infrastruktur.

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