lautstark. 01.12.2025

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FAQ: Arbeitszeiterfassung an Schulen

Nach Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ist eine systematische Arbeitszeiterfassung seit 2022 Pflicht. Im Schulbereich fehlt diese bis heute. Woran liegt das – und was fordert die GEW NRW?

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  • Ausgabe: lautstark. 05/2025 | Inklusion im Bildungssystem — Zusammen leben. Zusammen lernen.
  • Autor*in: Daniela Zinkann
  • Funktion: Expertin der GEW NRW für Beamt*innenpolitik und Personalvertretungsrecht
Min.

Wie ist die Rechtslage zum Thema Arbeitszeiterfassung?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat 2022 entschieden, dass Arbeitgeber in Deutschland verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Beschäftigten systematisch zu erfassen, und zwar Anfang, Ende und Pausen und nicht nur Überstunden und Sonn- und Feiertagsarbeit. Grundlage ist die Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes in Verbindung mit europarechtlichen Vorgaben zum Arbeitsschutz. Laut Rechtsprechung kann nur so die durch Arbeitsschutzrecht vorgeschriebene Einhaltung der Höchstarbeitszeiten sowie der täglichen Ruhezeiten kontrolliert werden. Für das „Ob“ der Arbeitszeiterfassung bedarf es laut BAG keiner Umsetzung mehr durch Gesetze auf Bundes- oder Landesebene, sie ist bereits jetzt geltendes Recht. 

Warum wird die Arbeitszeit von Lehrkräften an Schulen aktuell nicht erfasst?

Seit das Bundesarbeitsgericht entschieden hat, dass die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes gilt, versucht die GEW auf allen Ebenen und in allen Bundesländern mit den Landesregierungen zum Thema ins Gespräch zu kommen. Die bisherige Haltung der NRW-Schulministerin entspricht der vieler ihrer Amtskolleg*innen in anderen Bundesländern: Es handle sich um ein komplexes Thema, daher sei ein gemeinsam abgestimmtes Vorgehen der Bundesländer erforderlich. Man wolle zunächst auf eine Regelung des Bundesarbeitsministeriums warten, um sich daran zu orientieren. Von manchen Länderministerien wird wohl auch immer noch auf eine bundesgesetzliche Bereichsausnahme für Lehrkräfte gehofft, obwohl das Bundesarbeitsministerium dieser bereits 2023 eine klare Absage erteilt hat. 

Wie ist die Beschlusslage der GEW zur Arbeitszeiterfassung für Beschäftigte an Schule?

Wir setzen uns für die Umsetzung der gesetzlichen Pflicht zur Arbeitszeiterfassung an Schulen ein und haben für das „Wie“ konkrete Anforderungen beschlossen: Die Verantwortung für die Erfassung liegt beim Arbeitgeber und muss datensparsam erfolgen. Erfasst werden soll nur, was gesetzlich vorgeschrieben ist: Beginn, Ende und Pausen. Beschäftigte und Personalvertretungen sollen jederzeit Zugang zu den Daten haben. Die Erfassung muss zeitnah, einfach und manipulationssicher elektronisch erfolgen – unabhängig von Zeit und Ort, ohne die pädagogische Freiheit einzuschränken. Das System gilt für alle Beschäftigten, dient nicht der Leistungs- oder Verhaltenskontrolle und unterliegt als Maßnahme des Arbeitsschutzes der Mitbestimmung der Personalräte. 

Muss auch die Arbeitszeit von Lehrkräften an Schulen erfasst werden?

Ja, die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung ist auch für das Land NRW als Arbeitgeber bereits heute verpflichtend. Sie muss sowohl für tarifbeschäftigte als auch für verbeamtete Lehrkräfte umgesetzt werden. Hierfür müssen weder Bund noch Land weitere Gesetze verabschieden. Für den Bereich der Lehrkräfte gelten auch keine Ausnahmen wegen ihrer partiell freien Arbeitszeitgestaltung. Denn, auch wenn und soweit eine Lehrkraft ihre Arbeitszeit selbst bestimmen kann, verbleibt die Verpflichtung zur Gewährleistung des Arbeits-(Zeit-)Schutzes beim Arbeitgeber. Der Umstand, dass der konkrete Umfang der Arbeitszeit nicht in jedem Fall im Voraus feststeht, steht einer nachträglichen Dokumentation am Ende des Arbeitstages nicht entgegen. 

Wie kann die Arbeitszeiterfassung in Schule umgesetzt werden?

Mit seiner Entscheidung im September 2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass das „Wie“ der Erfassung der Mitbestimmung unterliegt. Daher fordert die GEW NRW von den Landesregierungen ein Aushandeln des „Wie“ mit den schulischen Hauptpersonalräten im Rahmen der von der GEW gesetzten konkreten Anforderungen: Mittels eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen elektronischen Systems, das handhabbar, manipulationssicher und datenschutzkonform ist. Es wird erfasst, was gesetzlich vorgeschrieben ist: nur Anfang, Ende und Pausen. Die Zeiterfassung erfolgt in Stunden und Minuten und zeitnah durch die Beschäftigten selbst, unabhängig von Ort und Zeit der Arbeit. 

Warum setzt sich die GEW für eine Erfassung der Arbeitszeit ein?

Die Einführung einer Arbeitszeiterfassung ist rechtlich verpflichtend – auch für Lehrkräfte. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Länder als Arbeitgeber handeln müssen. Die GEW will daher frühzeitig ihre Anforderungen an das „Wie“ der Umsetzung stellen. Statt einseitiger gesetzlicher Vorgaben fordern wir ein gemeinsam mit den Personalvertretungen ausgehandeltes Modell, das die Interessen der Lehrkräfte berücksichtigt und strukturelle Mehrarbeit realitätsgerecht abbildet. Klar ist: Die Schulministerien fürchten die Konsequenzen, weil die Erfassung das Ausmaß der Zuvielarbeit sichtbar macht. 

Was wären Vorteile einer Umsetzung der Arbeitszeiterfassungspflicht an Schulen?

Empirische Studien zeigen: Der Anteil nicht unterrichtlicher Aufgaben ist in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen – bei gleichbleibender Unterrichtsverpflichtung. Ohne Nachweis der gesamten Arbeitszeit wird weder die Unterrichtsverpflichtung gesenkt noch werden zusätzliche Aufgaben verhindert werden können. Die von der Rechtsprechung bestätigte Erfassungspflicht schafft Transparenz: Durch die Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit wird für jede Lehrkraft sichtbar, wie viel und wann sie arbeitet. Das hilft, Überlastung zu erkennen und abzubauen. Die Dokumentation zeigt, wo eine arbeitsschutzrechtliche Pflicht des Dienstherrn zur Entlastung besteht. Langfristig werden strukturelle Missstände sichtbar und die Arbeitsbedingungen aller Kolleg*innen werden verbessert. 

GEW NRW fordert Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte als Hebel für Entlastung

Während in nahezu allen Berufsgruppen die Erfassung der Arbeitszeit selbstverständlich ist, arbeiten Lehrkräfte nach wie vor in einem System, das ihre tatsächliche Arbeitsbelastung weitgehend unsichtbar macht. Wie steht die GEW NRW zur Arbeitszeiterfassung an Schulen?

Die Einführung einer Arbeitszeiterfassung an Schulen ist seit Jahren in der Diskussion – und sie ist dringend notwendig. Verbindliche Zeiterfassung macht sichtbar, was tatsächlich geleistet wird. Sichtbarkeit ist die Grundlage für gesunde Arbeitsbedingungen und Schutz vor Überlastung.  Genau deshalb fordert die GEW NRW die Arbeitszeiterfassung für Lehrkräfte. Was in anderen Berufen längst selbstverständlich ist, darf im Schuldienst kein Tabu bleiben. 

Viele Lehrkräfte reagieren skeptisch, wenn von Arbeitszeiterfassung die Rede ist. Zu groß ist die Sorge, sie könne Freiheiten einschränken oder zu mehr Kontrolle führen. Doch Arbeitszeiterfassung darf weder als ein Misstrauens- noch als ein Überwachungsinstrument dienen, sondern lediglich als Werkzeug des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Ziel ist nicht Kontrolle, sondern Schutz – vor zu viel Arbeit, vor Dauerstress, vor dem Gefühl, nie genug zu schaffen.

Die GEW NRW weiß, wie unsichtbar die Mehrarbeit vieler Lehrkräfte bleibt. In unserer Umfrage Weil zu viel zu viel ist, an der über 23.000 Beschäftigte an Schulen in NRW teilgenommen haben, haben sie ihre Überlastung angemahnt. Wer ständig über seine Grenzen geht, ohne dass der Arbeitgeber für entsprechende Entlastung sorgt, verliert nicht nur Zeit, sondern auch Gesundheit. 

Eine systematische Erfassung der Arbeitszeit soll sichtbar machen, was viele Lehrkräfte täglich spüren: Unterricht, Korrekturen, Elterngespräche, Projekte oder Betreuung beanspruchen weit mehr Zeit, als die offizielle Arbeitszeit vorsieht. Zugleich kann eine systematische Arbeitszeiterfassung Mehrarbeit vorbeugen. Sie deckt auf, wo Arbeit sich staut, wo Vertretungen fehlen und wo Aufgaben dauerhaft über das zumutbare Maß hinausgehen.

 Erst wenn klar ist, wie viel gearbeitet wird, kann entschieden werden, welche Aufgaben realistischerweise geleistet werden können. Natürlich reicht die Erfassung allein nicht aus. Nach der Datenerhebung müssen Konsequenzen folgen: Entlastungskonzepte, verbindliche Regelungen zur Anrechnung außerunterrichtlicher Aufgaben, klare Obergrenzen und vor allem mehr Personal und bessere Ausstattung. Die Landesregierung muss liefern. Arbeitszeiterfassung ist kein Selbstzweck, sondern ein Hebel, mit dem für bessere Arbeitsbedingungen gesorgt, strukturelle Überlastung verringert und das System rechtzeitig entlastet werden kann. 

Ayla Çelik
Vorsitzende der GEW NRW