Gesellschaft 04.10.2021

Gegen jede Diskriminierung: Beratung für Schüler*innen

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Kölner Beispiel für Antidiskriminierungsarbeit sollte Schule machen!

Ende September ist in Köln die unabhängige Beratungsstelle für Schüler*innen BANDAS feierlich eröffnet worden. Ihre Arbeit hatte sie bereits im Frühjahr 2021 aufgenommen. BANDAS setzt sich ein gegen jede Form der Diskriminierung von Schüler*innen und für soziale Gerechtigkeit. Bodo Busch, Sprecher der Arbeitsgruppe LSBTI* der GEW NRW, gratulierte vor Ort und beschreibt seine Eindrücke.

  • Autor*in: Bodo Busch
  • Funktion: Sprecher der AG LSBTI* der GEW NRW
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Schon auf der Website von BANDAS wird der horizontale Ansatz deutlich: Es gibt keine Diskriminierungsgründe erster und zweiter Klasse. Diskriminierung aufgrund rassistischer Zuschreibung wird dort ebenso ernst genommen wie homo- oder trans-feindliche, antisemitische, antiziganistische Benachteiligung, Herabsetzung oder Ausgrenzung oder solche aufgrund von Behinderung, Religion oder Geschlecht. 

Beratung für Schüler*innen in Köln, die Diskriminierung erfahren

BANDAS als zentrale Anlaufstelle für Schüler*innen im Regierungsbezirk Köln ist in dieser Form einmalig in NRW. Eine ähnliche Einrichtung hat bisher nur das Land Berlin vorzuweisen. Gefördert wird die Beratungsstelle der Integrationsagentur AWO Mittelrhein vom NRW-Familien- und Integrationsministerium MKFFI. Schüler*innen ab der 5. Klasse können sich telefonisch, per E-Mail oder persönlich an BANDAS wenden, wenn sie in der Schule benachteiligt, ausgegrenzt, beleidigt oder körperlich angegriffen werden, weil sie tatsächlich oder vermeintlich bestimmte Merkmale haben. Die Berater*innen Madalena Bothe, Simon Schulz und Mercedes Pascual Iglesias sind telefonisch an Schultagen von 16 bis 18 Uhr erreichbar oder persönlich nach Vereinbarung.

Bisher gibt es das Angebot nur für Kinder und Jugendliche, die im Regierungsbezirk Köln zur Schule gehen. 

Beschwerdestellen für Lehrer*innen, die Diskriminierung erfahren

Für Lehrkräfte haben vier von fünf NRW-Bezirksregierungen auf ihren Websites im Sommer 2020 die Beschwerdestellen bekanntgegeben, die seit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungs-Gesetzes (AGG) im Jahr 2006 alle Arbeitgeber*innen für ihre Beschäftigten einrichten müssen. Viel mehr als Namen, Mailadressen und Telefonnummern stehen da aber noch nicht – für den vierten Regierungsbezirk ist lediglich die Postanschrift des Personaldezernats aufgeführt. 

Für Lehrkräfte ist damit ihr Beschwerderecht nach AGG nur der Form nach realisiert. Es besteht dringender Bedarf, die Informationen zu erweitern und echte Anlaufstellen für Lehrkräfte mit Diskriminierungserfahrung anzubieten. Wer sich mit einem Diskriminierungsfall an eine Beschwerdestelle wenden möchte, sollte sich im Vorfeld dringend beraten lassen von GEW-Rechtschutz, Personalratsmitgliedern oder Beratungsstellen.

Beratung und Beschwerde: Das sind die Möglichkeiten und Baustellen im Gesetz

Schüler*innen im Regierungsbezirk Köln haben jetzt eine Beratungsmöglichkeit. Ihnen fehlen aber Beschwerderechte, etwa im Schulgesetz, und eine mit Kompetenzen ausgestattete Beschwerdestelle, weil das AGG als Bundesgesetz keine genauen Regelungen für den Bildungsbereich trifft – denn der ist ja Ländersache.

Dass im gesamten Bildungsbereich von der Kita bis zur Hochschule flächendeckend Diskriminierungen stattfinden aus allen sechs Gründen, die das AGG nennt, sowie wegen der sozialen Herkunft, hatte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) schon im Jahr 2013 in ihrem zweiten Bericht an den Bundestag festgestellt.

Nachdem die politisch zuständigen Länder offenbar nicht tätig wurden, haben die AG LSBTI* der GEW NRW zusammen mit der Integrationsagentur der AWO Mittelrhein, dem Projekt „Schule der Vielfalt“, dem federführenden Anti-Rassismus Informations-Centrum ARIC NRW und einigen weiteren Verbündeten Dezember 2015 die damaligen schulpolitischen Sprecher*innen aus dem Landtag zu einer Fachtagung „Diskriminierungsschutz in der Schule“ eingeladen.

2017 wurden Landtag und Landesregierung neu gewählt. Gegen Ende von deren Amtszeit gibt es nun als Pilotprojekt für einen Regierungsbezirk eine Beratung für Schüler*innen ohne Beschwerderecht und in vier von fünf Regierungsbezirken Beschwerdestellen für Lehrkräfte ohne transparentes Verfahren und Beratung. Von einem Landesantidiskriminierungsgesetz und einer Landesantidiskriminierungsstelle, seit Jahren auch von der GEW NRW gefordert, sind wir weit entfernt. Wir müssen mit den Erfahrungen von BANDAS und aus Berlin vor der nächsten Landtagswahl das Thema unbedingt in die Diskussion bringen!