

Der Gewerkschaftstag, höchstes beschlussfassendes Gremium der GEW, war nicht nur Ort intensiver Debatten, sondern auch Bühne für klare politische Weichenstellungen in einer Zeit, in der Bildungspolitik auf Bundes- und Landesebene vor enormen Herausforderungen steht.
Bundesweite Leitlinien als Kompass für NRW
Deutlich wurde: Viele Probleme im Bildungsbereich, vom Fachkräftemangel über die unzureichende Finanzierung bis hin zu den Anforderungen von Inklusion und Digitalisierung, lassen sich nicht isoliert auf Landesebene lösen. Es braucht starke gemeinsame Positionen auf Bundesebene, die den Landesverbänden Rückenwind geben. Die dort gefassten Beschlüsse sind deshalb ein wichtiger Kompass für die konkrete Arbeit der GEW vor Ort. Sie geben Orientierung, stärken die Position gegenüber der Landespolitik und wirken direkt in die strategische Arbeit des Landesverbands hinein.
Fachkräftemangel und Multiprofessionelle Teams im Fokus
Ein zentraler Schwerpunkt war der Umgang mit dem massiven Fachkräftemangel in unseren Bildungseinrichtungen. Die Beschlüsse zu diesem Thema zur Entlastung von Schulen, zur Stärkung Multiprofessioneller Teams und zur besseren Bildungsfinanzierung waren daher besonders relevant für die künftige Arbeit der GEW NRW. Denn gute Bildung gelingt nur, wenn vielfältige Professionen zusammenarbeiten – mit Schulsozialarbeit, Förderpädagogik, Inklusionsassistenz und weiteren Fachkräften, die fest in den Bildungsalltag eingebunden sind. Die Delegierten machten deutlich, dass die Landesregierungen für Ausbildung, Gewinnung und langfristige Bindung von Fachkräften deutlich mehr tun müssen.
Bildung als präventive Sozialpolitik
Ein weiterer Schwerpunkt war die klare Positionierung der GEW für eine solidarische, inklusive Schule. Nach einem dreijährigen Überarbeitungsprozess hat die GEW ihre schulpolitischen Positionen aktualisiert und starke Impulse gesetzt. Die Delegierten bekräftigten das Ziel, ein Bildungssystem zu schaffen, das alle Kinder und Jugendlichen mitnimmt – eine Schule für alle –, unabhängig von Herkunft, Einkommen oder Wohnort.
Damit knüpfte die GEW auch an die Ergebnisse zahlreicher Lernstandserhebungen an, die immer wieder belegen: Unser Bildungssystem erfüllt sein eigentliches Ziel nicht, nämlich junge Menschen zu gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe zu befähigen und ihnen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die nach wie vor zu hohe Schulabbrecher*innenquote – besonders in strukturschwachen Regionen – ist Ausdruck dieses Systemversagens. Für die GEW steht fest: Bildung muss endlich als präventive Sozialpolitik verstanden und entsprechend finanziert und ausgestattet werden.
Klare Haltung gegen rechte Ideologien
Mit großer Klarheit hat sich die GEW außerdem gegen rechte Ideologien und antidemokratische Strömungen positioniert. Angesichts des zunehmenden Einflusses rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen forderte der Gewerkschaftstag die Stärkung der Demokratiebildung in allen Bildungseinrichtungen. Ein besonderer Antrag, der die Einleitung eines Prüfverfahrens für ein AfD-Verbot beim Bundesverfassungsgericht fordert, wurde mit breiter Mehrheit angenommen.
Damit setzte die GEW nicht nur ein deutliches Zeichen, sondern unterstrich ihre gesellschaftspolitische Verantwortung: Wenn Rechtsextreme Hass säen, Fake News verbreiten und den sozialen Zusammenhalt gefährden, braucht es mehr denn je eine starke, stabile Demokratie – und ein Bildungssystem, das Kinder und Jugendliche zu mündigen, kritischen Bürger*innen erzieht. Kitas, Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen tragen hier eine Schlüsselverantwortung.
Interne Weichenstellungen
Auch die internen Herausforderungen der GEW standen auf der Agenda. Themen wie Mitgliedergewinnung, Bildungsarbeit und Beteiligungskultur wurden intensiv diskutiert. Klar ist: Die GEW muss sich weiter öffnen, neue Zielgruppen erreichen und eine lebendige gewerkschaftliche Kultur pflegen, die auch junge Beschäftigte anspricht. Gerade NRW bringt hier wichtige Impulse ein – durch seine große Mitgliederbasis, aber auch durch die aktive Mitgestaltung bildungspolitischer Debatten.
Bildungsgerechtigkeit, Mitbestimmung und faire Arbeit gehören zusammen
Der 30. Gewerkschaftstag hat einmal mehr gezeigt: Bildungsgerechtigkeit, Mitbestimmung, faire Arbeitsbedingungen und Demokratie sind untrennbar miteinander verbunden. Für NRW bedeutet das konkret: Die GEW wird die beschlossenen Leitlinien nutzen, um den Druck auf die Landespolitik zu erhöhen. Sie wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass mehr Personal gewonnen wird, dass Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte wirksam entlastet werden, dass Ganztag und frühkindliche Bildung verbindliche Qualitätsstandards erhalten und dass Bildungsfinanzierung nicht länger Stückwerk bleibt, sondern nachhaltig ausgebaut wird.
Wer Bildungsgerechtigkeit will, muss jetzt handeln – klar, verbindlich und mit einer Perspektive, die über Legislaturperioden hinausgeht. Der Gewerkschaftstag in Berlin war damit weit mehr als ein internes Treffen: Er war ein starkes Signal für die Bildungsrepublik Deutschland und für ein NRW, das diese Impulse aufgreift, weiterentwickelt und in konkrete bildungspolitische Auseinandersetzungen trägt. Die GEW NRW wird sich in den kommenden Jahren mit Nachdruck für die Umsetzung einsetzen und bleibt solidarische Stimme für Beschäftigte und Lernende.
30. Bundesgewerkschaftstag
Die wichtigsten Beschlüsse auf einen Blick:
Ganztag: Qualität, Personal und Mitbestimmung sichern
Mit Blick auf das kommende Rechtsanspruchsjahr 2026 hat der Gewerkschaftstag zentrale Standards für den Ganztag gefordert:
- Verlässliche Beschäftigung im Ganztag: Die GEW fordert feste, tarifgebundene Arbeitsverhältnisse für alle Beschäftigten im Ganztag – insbesondere für Inklusionsbegleiter*innen und angestellte Lehrkräfte.
- Tariflohn für alle: Qualität im Ganztag beginnt mit fairer Bezahlung. Der Gewerkschaftstag macht sich für eine einheitliche tarifgerechte Bezahlung aller pädagogisch Tätigen stark.
- Multiprofessionelle Teams aufwerten: Die therapeutische und sozialpädagogische Arbeit in Multiprofessionellen Teams soll systematisch gestärkt werden.
- Personalvertretung neu denken: Mitbestimmung im Ganztag erfordert neue Strukturen, sodass aus Sicht der GEW schulische Personalräte mit denen der Jugendhilfe verzahnt werden müssen.
Demokratische Schule und Mitbestimmung stärken
- Demokratiebildung verankern: Die GEW setzt sich für ein Demokratiefördergesetz, Kinderrechte im Grundgesetz und eine Stärkung der politischen Bildung auf allen Ebenen ein.
- Gegen rechte Einflussnahme: Der Gewerkschaftstag fordert den Ausbau von Antidiskriminierungsarbeit, Schutz für queere Lehrende und Lernende sowie einen klaren Einsatz für gendergerechte Sprache.
Digitalisierung: Mensch im Mittelpunkt
- Öffentliche Verantwortung: Digitale Infrastruktur und Plattformen im Bildungsbereich sollen öffentlich finanziert, geprüft und nachhaltig gestaltet sein.
- Lehrkräftezentrierte Digitalisierung: Künstliche Intelligenz (KI) darf keine pädagogische Verantwortung übernehmen. Die GEW setzt sich für eine „Teacher-led digitalisation“ ein und fordert Technikfolgenabschätzung vor der Einführung von KI-Systemen.
Schule weiterentwickeln: Chancengleichheit sichern
- Ganztagsqualität rechtlich absichern: Die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) 15 Punkte für einen guten Ganztag sollen in die Landesschulgesetze überführt werden.
- DaZ-Unterricht stärken: Ausreichende personelle, räumliche und zeitliche Ressourcen für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) und die Anerkennung von Herkunftssprachen als zweite Fremdsprache werden gefordert.
- Geschlechtergerechtigkeit im Sportunterricht: Bewertungsmaßstäbe sollen diskriminierungsfrei für Personen mit diverser Geschlechtsidentität gestaltet werden.
- Arbeitszeiterfassung: Ein dringlicher Beschluss fordert die systematische Einführung der Arbeitszeiterfassung an Schulen – eine Grundlage für mehr Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen.
Frühkindliche Bildung: Aufwertung, Qualität und Mitbestimmung
- Sprachliche Bildung stärken: Der Gewerkschaftstag spricht sich klar für die Stärkung der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung in Kitas aus.
- Verbindliche Standards bundesweit: Für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen fordert die GEW bessere Fachkraft-Kind-Schlüssel (zum Beispiel 1:3 für Ein- bis Dreijährige), mehr Zeit für mittelbare pädagogische Arbeit (mindestens 25 Prozent) und interdisziplinäre Zusammenarbeit als Standard.
- Mehr Mitbestimmung in der Jugendhilfe: Die GEW fordert gesetzliche Rahmenbedingungen für eine wirksame Interessenvertretung und den Schutz der Beschäftigten in der sozialen Arbeit.
Erwachsenen- und Weiterbildung stärken
- Gute Arbeit auch in der Weiterbildung: Die GEW fordert tariflich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse, feste Arbeitszeiten und eine bedarfsgerechte Finanzierung für die Erwachsenenbildung.
- Gegen Tarifflucht: Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen sollen keine Umgehungsstrategien mehr nutzen – tarifliche Absicherung wird eingefordert.
Hochschule und Forschung: Faire Bedingungen statt Prekariat
- Wissenschaftszeitvertragsgesetz abschaffen: Dauerstellen für Daueraufgaben bleibt eine Kernforderung. Die GEW fordert strukturelle Reformen im Wissenschaftssystem.
- Machtmissbrauch bekämpfen: Der Gewerkschaftstag beauftragte den Hauptvorstand, Schulungen und Materialien zum Umgang mit Machtmissbrauch an Hochschulen zu entwickeln.
- Künstliche Intelligenz (KI) an Hochschulen kritisch begleiten: KI soll die Qualität von Forschung und Lehre erhöhen – nicht den Publikationsdruck. Die GEW fordert ethische Leitlinien, Fortbildungen, Prüfungsformate und einen menschenzentrierten Einsatz von KI.
Bildung für nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz
- Nachhaltige Infrastruktur: Bei Neubauten und Sanierungen von Bildungseinrichtungen müssen Maßnahmen zum Hitzeschutz und zur Energieeffizienz Pflicht werden.
- Bildung für Nachhaltigkeit: Die GEW will Bildung zur ökologischen, sozialen und ökonomischen Nachhaltigkeit strukturell verankern.
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