Neu im Amt verkündete NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer in 2017 durch ein Verbot der Methode „Lesen durch Schreiben“, von ihr als „Schreiben durch Hören“ bezeichnet, die Rechtschreibung signifikant verbessern zu wollen. Schnell wurde klar, dass nur sehr wenige Klassen tatsächlich nach dieser von Jürgen Reichen entwickelten Methode unterrichtet werden. Die allermeisten Grundschulen arbeiten mit einem wohlüberlegten Methodenmix.
Komplexe Aufgabe für gut qualifiziertes Grundschulpersonal
Das Erlernen einer korrekten Rechtschreibung ist eine sehr komplexe Aufgabe, bei der neben fachdidaktischen Aspekten die vielfältigen Lernausgangslagen der Kinder berücksichtigt werden müssen. Die neue Handreichung erfindet den Deutschunterricht nicht neu, sondern fasst den aktuellen Stand der Fachdidaktik zusammen und zeigt eindrucksvoll, was Grundschullehrkräfte bereits leisten.
Sie räumt mit Vorurteilen zum Rechtschreibunterricht auf und stellt klar, dass Fehler lernspezifisch notwendig sind und häufig gerade dann vorkommen, wenn Kinder ein neues Prinzip der Rechtschreibung eigenaktiv bearbeiten.
Die GEW NRW erwartet, dass Ministerin Yvonne Gebauer sich öffentlich zur Qualität der Grundschularbeit bekennt und allen Missverständnissen und Fehldeutungen im Hinblick auf einen vermeintlich falschen Rechtschreibunterricht entgegentritt.
Diversität der Grundschüler*innen gerecht werden
In der neuen Handreichung von Juli 2019 werden die individuellen Lernausgangslagen treffend beschrieben, sie reichen von einem schriftfernen Lebenskontext der Kinder über Mehrsprachigkeit bis zur sprachlichen Beeinträchtigung und Störungen bei der Ausbildung von Basisqualifikationen für den Schriftspracherwerb. Auch die Kinder, die bei der Einschulung bereits lesen und schreiben können, erhalten individuelle Unterstützung, damit sie nicht unterfordert zurückbleiben.
Niemand wird angesichts der Fülle an Herausforderungen ernsthaft glauben, der Schulanfang könne mit einer einzigen Lehrkraft in Klassen mit bis zu 30 Kindern gelingen. Folgerichtig wird in der Handreichung gefordert: „Damit die unterschiedlichen Ausgangslagen der Schülerinnen und Schüler im Kontext von Diversität adäquat berücksichtigt und Lernbarrieren im Rechtschreibunterricht abgebaut bzw. vermieden werden, ist der Aufbau multiprofessioneller Kooperationen von Vorteil. Idealerweise setzt sich ein Grundschulteam aus Grundschullehrkräften und Lehrkräften für sonderpädagogische Förderung zusammen.“
Dieser Feststellung müssen Taten folgen. Grundschulen brauchen dringend eine bessere Personalausstattung und dürfen bei der Neuausrichtung der Inklusion nicht länger ignoriert werden.
Handreichung Rechtschreibung ist kein Masterplan zur Sicherung der Bildungsqualität an Grundschulen
Wiederholt hat Ministerin Yvonne Gebauer einen Masterplan für die Grundschulen angekündigt. Grundschulen brauchen ein integriertes Zukunftskonzept, um die anstehenden Herausforderungen meistern zu können. Damit hat sie recht, geliefert hat das Ministerium für Schule und Bildung NRW jedoch nur einen Bruchteil davon. NRWs Grundschulen können mit einem renovierungsbedürftigen Gebäude verglichen werden und die neue Handreichung Rechtschreibung ist leider nur die Bedienungsanleitung für die Heizungsanlage.
Zur Sicherung der Bildungsqualität an Grundschulen braucht es vor allem
- wirksame Maßnahmen gegen den Lehrkräftemangel,
- Entlastung und Aufwertung der Grundschullehrkräfte und
- eine Initiative zur qualifizierten Umsetzung von Inklusion und Integration an Grundschulen.
Die GEW NRW bleibt weiter dran, denn Grundschullehrkräfte dürfen erwarten, dass das Niveau ihrer Ausbildung und der herausfordernde Schulalltag endlich durch eine faire Besoldung honoriert werden: JA 13 – A 13 Z für alle!