lautstark. 12.09.2025
Ein Raunen in der Hochschullandschaft?


Es ging ein Raunen durch die Hochschullandschaft Anfang Oktober 2024: Das Landeskabinett hatte den Referentenentwurf für ein sogenanntes „Hochschulstärkungsgesetz“ verabschiedet, und statt den sonst üblichen Überblick über das Potpourri an geplanten Änderungen zu geben, fokussierte die Pressemeldung der Landesregierung ein Thema: Machtmissbrauch. Mit einer entsprechenden Gesetzesänderung solle den Hochschulen in NRW ein „Instrumentenkasten“ zur Verfügung gestellt werden, um unter anderem mit Schutz- und Sanktionsmaßnahmen angemessen auf Fehlverhalten unterschiedlicher Art reagieren zu können.
Neuer Teil im Referentenentwurf sieht umfassende Diversitäts- und Schutzkonzepte vor…
Neben einzelnen, Fehlverhalten vorbeugenden beziehungsweise erschwerenden Maßnahmen, die bestehende Regelungen schärfen sollen, enthielt der Referentenentwurf einen neuen Teil 10 Sicherheit und Redlichkeit in der Hochschule, der sich inklusive ausführlicher Begründung über fast 80 Seiten und somit ein Viertel des Referentenentwurfs insgesamt erstreckte. Ein Kernelement der neuen Regelungen ist, dass die Hochschulen umfassende Diversitäts- und Schutzkonzepte entwickeln müssen.
Als prinzipiell grundlegender, wenn auch im Referentenentwurf leider zunächst lediglich optionaler Baustein ist eine Ordnung des Senats vorgesehen, mit der die Konzepte konkretisiert und umgesetzt werden können. Außerdem kann eine unabhängige Ansprechperson etabliert werden. Das Hochschulgesetz selbst soll zur Rahmung ein Redlichkeitsrecht und ein Sicherheitsrecht beinhalten, das jeweils einen Tatbestandsbereich, einen Sanktionskatalog sowie Verfahrensbeschreibungen beziehungsweise -anforderungen enthält. Flankierend werden spezifische Schutzrechte für Betroffene normiert.
Im Zusammenhang mit Promotionsverfahren sind Änderungen beziehungsweise Präzisierungen vorgesehen, die in diesem spezifischen Abhängigkeitsverhältnis potenziell negative Wirkungen mindestens reduzieren, möglichst aber verhindern sollen – durch die Erhöhung der Verbindlichkeit der Betreuungsvereinbarung, Anforderungen an die Unabhängigkeit von Erst- und Zweitbegutachtung sowie die Trennung von Betreuungs- und Beratungsfunktion.
... klammert aber strukturelle Veränderungen aus
Die vorgesehenen Maßnahmen lassen sich als Schritte in die richtige Richtung werten, greifen insgesamt aber nicht weit genug, da insbesondere die strukturelle Dimension Fehlverhalten begünstigender Faktoren kaum berücksichtigt wird: Es müssen aber grundsätzlich die Bedingungen und hochschulischen Besonderheiten in den Blick genommen werden, die kooperativem Lehren, Lernen und Forschen sowie der partnerschaftlichen Ausgestaltung und Entwicklung von Wissenschaft entgegenstehen.
Manchem gingen allerdings die ersten Schritte bereits zu weit: Eine kleine, aber – wie sich im Weiteren herausstellen sollte – wohl sehr wirkmächtige Gruppe von Hochschullehrer*innen fand insgesamt sehr wenig Gefallen an den Planungen und versuchte, sie mit Vehemenz und teils mit juristischer Argumentation weitmöglichst vom Tisch zu fegen. Dass sich im Referentenentwurf zum Thema Machtmissbrauch Unklarheiten und auch Schwachstellen finden, ist unbestritten. Wenn aber zum Ausgangspunkt des Angriffs letztlich die Selbstwahrnehmung gemacht wird, Fehlverhalten an Hochschulen wäre kein tatsächliches Problem, dann grübelt man schon darüber, wie weit weg manche von der Hochschulwirklichkeit vieler Studierender und Beschäftigter sind. Und dann darf die Motivation der Fundamentalkritik durchaus hinterfragt werden.
Beteiligung von Studierenden und Beschäftigten fehlt
Wissenschaftsministerin Ina Brandes versuchte zunächst, diese Fundamentalkritik ins Leere laufen zu lassen und verwies unter anderem auf zwei juristische Gutachten, die zur Stützung der geplanten Maßnahmen eingeholt worden waren. Das Wissenschaftsministerium griff die Angriffe dann aber Anfang des Jahres 2025 auf und etablierte gemeinsam mit den Landesrektor*innenkonferenzen eine Arbeitsgruppe zur „Fortentwicklung“ des Teils 10 des geplanten Hochschulgesetzes. Es ist an dieser Stelle mehr als eine Randbemerkung, dass sich hier auch wieder ein wohlbekanntes und bedenkliches Muster zeigt: Studierende und Beschäftigte sind aus Sicht des Wissenschaftsministeriums keine relevanten Player für solche Arbeitsgruppen.
Eigentlich war angekündigt, gegen Mitte des Jahres den Gesetzesentwurf in den Landtag einzubringen. Bis zur Sommerpause war dies nicht der Fall, sodass es nun frühestens Mitte September 2025 wird. Und man darf gespannt sein – wohl weniger ob, sondern wie sehr sinnvolle Ansätze des Referentenentwurfs geschleift werden und Streichungen, Einschränkungen sowie Ausnahmeoptionen die ursprünglichen Ambitionen ausbremsen. Was aus der Arbeitsgruppe zur „Fortentwicklung“ bisher durchgesickert ist, stimmt eher bedenklich.
Es bleibt, darauf zu hoffen, dass die Parlamentarier*innen so klug sind, die Hinweise der weiteren Akteur*innen der Hochschullandschaft ernst zu nehmen und für die adäquate Ausgestaltung des Gesetzes aufzugreifen. Hiervon wird abhängen, ob das „Hochschulstärkungsgesetz“ tatsächlich ein Meilenstein für einen nachhaltigen Kampf gegen Fehlverhalten werden wird und ob nach dessen Verabschiedung ein entsprechendes Raunen durch die Hochschullandschaft gehen wird.