„Die Lage in NRW hat sich in keiner Weise entspannt“, sagt Stephan Osterhage Klinger, stellvertretender Vorsitzender der GEW NRW. „Zahlreiche Studien und Analysen belegen: Es fehlt nicht nur an Personal, es fehlt auch weiterhin an gut ausgebildeten Fachkräften. Auch in NRW versucht man, den Personalmangel in den Kitas durch den Einsatz von Mitarbeitenden aufzufangen, die nicht die formalen pädagogischen Voraussetzungen mitbringen. Das darf aber keine voranschreitende Deprofessionalisierung in der frühkindlichen Bildung zur Folge haben.“
Die seit Ende 2024 geltende neue Personalverordnung stellt die Sicherstellung der Kinderbetreuung deutlich über die Qualität der frühkindlichen Förderung. „Das ist nicht akzeptabel und offenbart ein echtes Dilemma“, sagt Fröbel-Bereichsleiter Marek Körner: „Wir haben immer weniger Fachkräfte, die aber im Kita-Alltag mit immer höheren Anforderungen konfrontiert werden, allen voran im Bereich Sprache. Nicht ohne Grund bleibt zum Beispiel die Zahl der Kölner Kinder, die die erste Klasse wiederholen müssen, auf Rekordhoch. Um die Herausforderungen zu meistern, brauchen wir qualifiziertes Personal, das durch multiprofessionelle Teams in Bereichen wie Musik, Bewegung oder Bildung für nachhaltige Entwicklung unterstützt und nicht ersetzt wird.“
Auch wenn die Landesregierung versucht, mit verschiedenen Maßnahmen gegenzusteuern: Für die GEW NRW und das Kita-Bündnis NRW ist das nicht ausreichend! In der längst überfälligen Neufassung des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) müssen viele weitere Maßnahmen geregelt werden. Dazu gehört ein angemessener Fachkraft-Kind-Schlüssel, um die Belastungen der Beschäftigten zu senken und ein gutes frühkindliches Bildungsangebot zu sichern. Dazu gehört aber auch eine direkte Refinanzierung von Tarifabschlüssen und die Abschaffung des hohen Eigenanteils, den freie Träger zusätzlich aufbringen und zudem bürokratisch nachweisen müssen. Erst dann können sich auch freie Träger die künftige Finanzierung von Kindertagesstätten noch leisten.
Vera Hopp, Geschäftsführerin des VKJ Ruhrgebiet e.V.: „Damit unsere Kitas auch in Zukunft bestehen können, brauchen sie eine verlässliche und ausreichende Finanzierung. Die Realität sieht aktuell leider anders aus: Ab April 2025 müssen wir als Träger die aktuellen Tarifsteigerungen rückwirkend bezahlen. Das sind für uns – mit über 500 Mitarbeitenden – Personalmehrkosten von mehr als 50.000 Euro pro Monat, die wir erst viele Monate später erstattet bekommen. Das Geld fehlt uns für die dringend notwendige Sprachförderung genauso wie für das frische Mittagessen in der Kita, das für viele Kinder die einzige warme Mahlzeit am Tag ist.“
Auch die Rahmenbedingungen in der Ausbildung müssen verbessert werden. Aktuell brechen zu viele angehende erzieherische Fachkräfte die Ausbildung vorzeitig ab. Mit dem Ausbau und einer besseren Finanzierung der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) ließe sich eine gute und attraktive Alternative zur klassischen schulischen Ausbildung mit Anerkennungsjahr schaffen. Die praxisintegrierte Ausbildung verknüpft über 3 Jahre hinweg Theorie und Praxis und wird durchgehend vergütet. Aber auch hierfür benötigen die Träger eine angemessene Finanzierung, damit sie die professionelle Praxisanleitung der Auszubildenden durch qualifizierte Fachkräfte bezahlen können. Rund 60.000 Euro kostet aktuell eine PiA-Stelle – nur rund 16.000 davon werden refinanziert.
„Die Qualität der frühkindlichen Bildung stellt die Weichen für die künftigen Bildungschancen unserer Kinder, vor allem für die Kinder aus benachteiligten Familien“, betont Stephan Osterhage-Klingler. „Um die Qualität sicherzustellen, braucht es nicht nur Geld, sondern eine nachhaltige Bildungsoffensive, die über Legislaturperioden hinausgeht. Für eine gute frühkindliche Bildung in NRW brauchen wir eine echte KiBiz-Reform, und zwar sofort!“
Weitere Statements der Träger im Kita-Bündnis NRW:
„Wir freien Träger unterstützen Land und Kommunen, den Rechtsanspruch der Familien auf Kinderbetreuung zu erfüllen. Dazu brauchen wir eine 100%-Finanzierung. In keinem anderen Dienstleistungsbereich wird der Preis vorgegeben und muss der Dienstleister eigenes Geld mitbringen, um seine Leistung erbringen zu können. Sagen Sie doch mal einem vom Land beauftragten Straßenbauer, er soll einen Kilometer Autobahn bauen. Sie sagen ihm, was es kosten darf, zahlen aber nur 900 Meter. Meinen Sie, er baut die letzten 100 Meter trotzdem und finanziert sie aus eigener Tasche? Obwohl er bereits an den 900 Metern zuvor keinen Cent verdienen kann und darf. Um den Auftrag zu erfüllen, muss er an den ersten 900 Metern sparen, um die letzten 100 stemmen zu können. Das verschlechtert die Qualität.“
(Marcus Bracht, Geschäftsführer educcare Bildungskindertagesstätten gGmbH)
„Das Land NRW muss Kitas als attraktive Bildung- und Ausbildungsorte ernst nehmen und jetzt handeln. Wir benötigen dringend mehr und flexiblere Ausbildungskapazitäten, um den steigenden Bedarf an qualifiziertem Personal decken zu können. Ob wir echte frühkindliche Bildungs- oder doch nur noch Verwahrorte sein sollen, diese Entscheidung müssen NRW-Ministerpräsident Wüst und Familienministerin Paul endlich mal treffen.“
(Ute Jansen, Geschäftsleitung Kita bei der Outlaw Kinder- und Jugendhilfe gGmbH)
„Die Kita ist nicht nur ein Ort der Betreuung, sondern ein wichtiger Bildungsraum, in dem Kinder ihre Neugier entfalten, soziale Fähigkeiten entwickeln und grundlegende Kompetenzen erwerben. Es ist entscheidend, diesen Bildungsort zu stärken und die wertvolle Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher anzuerkennen. Die Landesregierung muss jetzt Farbe bekennen: Was ist ihr die frühkindliche Bildung im Land NRW Wert? Von nichts kommt nichts! Die Rücklagen der Träger sind längst aufgebraucht.
(Dr. Jürgen Reul und Annette Holtmann, Geschäftsführende der Kinderzentren Kunterbunt gGmbH/Villa Luna)
Über das Kita-Bündnis NRW:
Um dem drohenden Qualitätsabbau entgegenzutreten, haben sich freie Kita-Träger gemeinsam mit der GEW NRW im Kita-Bündnis NRW zusammengeschlossen. Bereits im Sommer 2024 haben sie ihre gemeinsame Petition „Rettet die Kitas in NRW“ mit fast 40.000 Unterschriften an die zuständige Familienministerin Josefine Paul übergeben. Nichts ist seitdem passiert.