Teilnehmen können ausschließlich Schulen, die aufgrund ihrer sozial-räumlich benachteiligten Lage und einer entsprechend zusammengesetzten Schüler*innenschaft mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind. An diesen Schulen soll das Ziel der Entkoppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg verfolgt werden. Die Leistungen der Schüler*innen an diesen Schulen sollen nachweisbar gesteigert werden. Jetzt soll zeitnah die Ausschreibung erfolgen.
Vom Wahlprogramm über den Koalitionsvertrag bis hin zu Machbarkeitsstudie und Schulversuch
Mit den Talentschulen setzt die schwarz-gelbe Landesregierung einen Vorschlag aus dem FDP-Wahlprogramm für die Landtagswahl 2017 in modifizierter Form um. Dort stand: „Wir wollen dreißig exzellente Top-Gymnasien mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung dahin bringen, wo sie am Dringendsten benötigt werden und maximalen Effekt erzielen: In kinderreiche Stadtteile mit den größten sozialen Herausforderungen.“
Dem Koalitionsvertrag von CDU und FDP geschuldet dürfen nun auch andere Schulformen dabei sein. Konkreter wurden die Vorhaben im Herbst 2017 als die FDP-Fraktion im Landtag die Machbarkeitsstudie vorstellte „Mehr Bildungschancen und höhere Durchlässigkeit im Schulsystem von Nordrhein-Westfalen durch Förderung von Talent-Schulen in sozial herausfordernden Stadtteilen“ von Helmut E. Klein, ehemals Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Nun legt das Ministerium für Schule und Bildung Planungen für einen entsprechenden Schulversuch vor.
Was ist eine Talentschule?
Geplant ist, dass im Endausbau 45 allgemeinbildende Schulen mit Sekundarstufe I sowie weitere 15 berufsbildende Schulen am Schulversuch Talentschulen teilnehmen. Im Zentrum der fachlichen Profilierung der Talentschulen steht die sprachliche Förderung im Rahmen eines ausgeweiteten Fachunterrichts beziehungsweise die Ausdifferenzierung der Berufsfelderkundung am Berufskolleg. Praktisches Arbeiten und Lernmöglichkeiten im Rahmen eines MINT-Profils oder eines Profils im Bereich der Kulturellen Bildung sollen positive Lernerfahrungen ermöglichen – heißt es im Bericht der Landesregierung an den Landtag. Gelingensbedingungen sollen zudem sein die Stärkung der Leitungsstruktur und der Aufbau eines zielgerichteten Datenmonitorings sowie verbesserte Möglichkeiten zur Schul- und Unterrichtsentwicklung.
Welche Unterstützung erhalten Talentschulen?
Die am Schulversuch teilnehmenden allgemeinbildenden Schulen werden mit einem Zuschlag in Höhe von 20 Prozent auf den Grundstellenbedarf als zusätzliche Ressource unterstützt. Die zusätzlichen Stellen wachsen mit dem Schulversuch auf, zu Beginn starten die Schulen mit drei Stellen. Wegen der Besonderheiten der berufsbildenden Schulen erhalten diese für die Umsetzung des Konzepts Talentschule jeweils vier Stellen für das Talentschulprofil.
Für die zusätzliche personelle Ausstattung stellt das Land mehr als 400 Lehrerstellen bereit: 315 Stellen an allgemeinbildenden Schulen, 100 Stellen an berufsbildenden Schulen. Den Talentschulen steht außerdem ein zusätzliches Fortbildungsbudget in Höhe von 2.500 Euro jährlich zur Verfügung.
So werden die Talentschulen für die nächsten Schuljahre ausgewählt
Antragsteller für die Aufnahme in den Schulversuch Talentschulen ist der jeweilige Schulträger in Zusammenarbeit mit der Schule, die zuvor einen Beschluss in der Schulkonferenz fassen muss. Der Bewerbungszeitraum für die gemeinsame Bewerbung von Schule und Schulträger läuft bis Anfang Dezember 2018. Über die vorliegenden Anträge entscheidet dann eine vom Schulministerium berufene Expert*innenjury.
Anfang des Jahres 2019 werden zunächst bis zu 35 Schulen ausgewählt, die zum Schuljahr 2019/2020 als Talentschulen starten. In einer zweiten Auswahlphase werden zum Schuljahr 2020/2021 weitere Schulen bis zu einer Gesamtzahl von 60 in den Schulversuch aufgenommen. Der Schulversuch läuft an allen Talentschulen jeweils für sechs Jahre. Für das Jahr 2026 ist eine Evaluation des Schulversuchs geplant.
Wie sinnvoll ist der Schulversuch Talentschulen?
Über die einzelne Schule hinaus macht ein solcher Schulversuch nur Sinn, wenn das gelingt, was das Ministerium vollmundig ankündigt. Eine wissenschaftliche Begleitung und eine administrative Unterstützungsstruktur soll es geben und es gilt: „Ein vom MSB gesteuerter prozessbegleitender Transfer soll als erfolgreich identifizierte Maßnahmen auch schon im Erprobungszeitraum innerhalb der Talentschule und mit Blick auf andere Schulen außerhalb des Schulversuchs übertragen.“
Hier sind Zweifel angebracht. Zu oft haben die Schulen in NRW die Erfahrung gemacht, dass der Transfer nicht funktionierte. Nach kurzer Zeit könnten sie vor dem Problem stehen, dass die Ressourcen, die bei Schulversuchen oder Modellvorhaben zur Verfügung stehen, schnell wieder eingespart werden. Es wäre besser, hätte sich das MSB auf den mühsamen Weg begeben, einen schulbezogenen Sozialindex zu entwickeln und ihn ausreichend auszustatten.