Lehrerrat 20.04.2018

Beschäftigte stärken, Belastung senken

Arbeits- und GesundheitsschutzRechtsschutzFortbildung
Lehrerrat und Schulleitung: Beschäftigte stärken, Belastung senken

Lehrkräfte, Lehrerräte und Schulleitungen gemeinsam für Arbeits- und Gesundheitsschutz

Mit der Schulleitungskonferenz im April und dem Lehrerrätekongress im Mai 2018 nimmt die GEW NRW die Arbeitsbelastung der Beschäftigten in Schule in den Blick. Ein Interview mit den Expertinnen Harda Zerweck und Sabine Hofmann zu Gesundheit am Arbeitsplatz.

  • Interview: Sherin Krüger
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Euer Workshop trägt den gleichen Titel wie der Lehrerrätekongress selbst „Belastung senken“. Was können Teilnehmer*innen von der Arbeitsgruppe erwarten?

Harda Zerweck: Seit der Arbeitszeituntersuchung in NRW vor rund 20 Jahren ist klar: Lehrer*innen und Schulleitungen arbeiten weit mehr und länger als nach der 41 Stundenwoche für Beamt*innen vorgeschrieben ist – wohlgemerkt unter Einrechnung der unterrichtsfreien Zeit. Im Workshop möchten wir deshalb unter anderem darauf eingehen, dass das Land NRW gesetzlich dazu verpflichtet ist, der Aufforderung des Bundesrechnungshofs aus 2011 nachzukommen: Die Länder müssen für den Gesundheitsschutz der Lehrkräfte präventiv tätig werden.

Sabine Hofmann: Bisher ist in diese Richtung noch nicht viel passiert. Denn statt einer angemessenen Senkung der Pflichtstundenzahl wurden diese sogar noch erhöht. Über 50 Prozent der vorzeitig in den Ruhestand versetzten Lehrkräfte scheiden wegen psychischer Erkrankungen aus. Und dem gehen meist lange Fehlzeiten voraus. Erkrankte und pensionierte Lehrkräfte können nicht ersetzt werden, in der Folge steigen Beanspruchung und Stress für die in den Schulen arbeitenden Lehrkräfte. Der Workshop wird daher auch zeigen, wie gesundheitsgefährdende Belastungen gesenkt werden können und wie Lehrkräfte, Lehrerräte und Schulleitungen den Arbeitgeber gemeinsam in die Pflicht nehmen können, damit dieser Maßnahmen zur Beseitigung der Belastungen durchführt.

Das Land lässt doch seit 2012 die psychosoziale Gesundheitsgefährdung von Lehrkräften und Schulleitungen durch die COPSOQ-Untersuchung feststellen und bietet inzwischen Workshops an, mit denen die Belastungen gesenkt werden sollen. Ist das wirksam?

Harda Zerweck: Bei gleichbleibend unzureichenden Rahmenbedingungen: Nein! Bisher sollen die Schulen hauptsächlich selbst interne Maßnahmen zur Belastungsreduzierung entwickeln. Es gibt Beratungsangebote und Workshops, in denen aufgezeigt wird, wie unter gegebenen unzureichenden Bedingungen Entlastung schulintern organisiert werden soll. Das kann in Einzelfällen vielleicht helfen. Die Beschäftigten kritisieren jedoch zu Recht, dass das allein nicht reicht. Gesundheitsgefährdung durch Lärm lässt sich nicht allein durch Classroom-Management beseitigen. Erforderlich sind gegebenenfalls auch bauliche Maßnahmen sowie kleinere Klassen.

Auch andere Stressauslöser bei den Arbeitsbedingungen – wie zum Beispiel zu hohe Unterrichtsverpflichtung, fehlende Entlastungen für Kooperation und zusätzliche Aufgaben, muss der Arbeitgeber, das Land NRW, beseitigen. Hierzu bietet der Workshop die Rechtsgrundlagen und Hilfen zur Durchsetzung an.

„Immer mehr. Immer schneller anders.“ ist der Untertitel eures Workshops. Durch welche Veränderungen haben sich in den letzten Jahren eurer Meinung nach besonders hohe Belastungen für Lehrer*innen ergeben?

Sabine Hofmann: Die Schlagworte heißen Arbeitsverdichtung, Anforderungen ohne entsprechende Aus- und Fortbildung und folglich eine grenzenlose Ausweitung der Arbeitszeit. Und das alles weitgehend ohne die erforderlichen personellen und räumlichen und sächlichen Ressourcen! Beispiele dafür sind Inklusion und Integration, Schulstrukturveränderungen, das Hin- und Her von G9 zu G8 und wieder zurück, erforderliche Konzeptentwicklungen und nicht zuletzt noch die Digitalisierung. Die Palette der Stresssymptome – auch schon bei jüngeren Kolleg*innen – ist groß und meist rücken die Ursachen des Stresses und die damit verbundenen Erkrankungen erst dann ins Bewusstsein, wenn die betroffene Person längst in der Überlastungsfalle steckt.

Und wie hat sich dadurch die Arbeit des Lehrerrats verändert?

Sabine Hofmann: Die Arbeit der Lehrerrät*innen ergibt sich aus diesen gewandelten Anforderungen an Schule: Wenn die vom Ministerium für Schule und Bildung vorgegebenen Anforderungen nicht erfüllt werden können, aber Lehrkräfte und Schulleitungen allein dafür verantwortlich gemacht werden, dann gibt es zusätzliche Konfliktherde in der Schule – ein nicht zu unterschätzendes Stressfeld für alle Beteiligten in ihren jeweiligen Rollen. Der Workshop soll dazu dienen, die Zusammenhänge und Ursachen des Stresses am Arbeitsplatz Schule und seine Auswirkungen auf die Gesundheit der Kolleg*innen bewusst und sich mit Möglichkeiten von Prävention und Intervention vertraut zu machen.

Harda Zerweck: Dabei gehen wir ausführlich auf die Rolle der Lehrerräte ein, die in der Regel nicht einmal die ihnen zustehende Entlastung für ihre Arbeit erhalten. Lehrerräte sollen mit ihren und den Rechten der Lehrkräfte nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie dem Landespersonalvertretungsgesetz vertraut gemacht werden. Außerdem werden sie Interventionsstrategien kennenlernen, um diese Rechte einfordern zu können.