Gewerkschaft 02.05.2019

Soziale Vielfalt im Mittelpunkt

Queer und Diversity

Britta Frielingsdorf, Kommunikations- und Diversitymanagerin beim WDR, im Interview: Teil 2 von 2

Nicht mehr lang zum Gewerkschaftstag „Vielfalt bereichert.“ vom 23. bis 25. Mai 2019. Im zweiten Teil des Interviews sprechen wir mit WDR-Diversitymanagerin Britta Frielingsdorf über Vielfalt in Organisationen und Unternehmen: Sie beschreibt, wo Grenzen entstehen können, was vielfältige Teams überhaupt ausmacht und welche konkreten Projekte dabei unterstützen, Vielfalt zu lernen und zu leben.

  • Interview: Jessica Küppers, Sherin Krüger
  • Funktion: Redakteurinnen im NDS Verlag
Min.

Glauben Sie, die Grenzen von Vielfalt sind irgendwann auch einmal erreicht?

Die Vielfalt und die Einzigartigkeit der Menschen können wir natürlich nicht überall gleichzeitig abbilden. Deshalb ist es bei der Beurteilung immer wichtig, das gesamte Programmangebot des WDR in den Blick zu nehmen und nicht nur einen Einzelbeitrag.

Menschen sind mehr als die Merkmale, die ihnen zugeschrieben werden. Sie sind einzigartig in ihrer persönlichen Geschichte. Grenzen sehe ich deshalb sowohl im Verständnis von Vielfalt, als auch in unseren Köpfen, in der Verkürzung von Vielfalt auf die Zusammensetzung von Merkmalen, in der Begrenztheit von Ressourcen und in der Unterschätzung von gesellschaftlicher Verunsicherung.

Im täglichen Miteinander: Wie können wir der Vielfalt und Einzigartigkeit der Menschen gleichwertige Aufmerksamkeit schenken?

Die Reduzierung von Menschen auf deren Unterschiede birgt immer die Gefahr von Stigmatisierung. Deshalb kann schon das Verständnis von Vielfalt Grenzen schaffen. Menschen sind nicht nur Merkmalsträger*innen und möchten auch nicht so behandelt werden. Niemand ist nur Frau, nur Mann, nur Transgender, nur durch Lebensalter oder durch soziale Herkunft definiert. Menschen mit Behinderung sind nicht nur Expert*innen für Behinderung, Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund sind nicht nur zuständig für Themen interkultureller Vielfalt. Niemand ist eindimensional. Und es sind die Gemeinsamkeiten von Menschen, auf deren Basis Verstehen am leichtesten gelingt.

Stereotypen in unseren Köpfen erleichtern zwar unseren Alltag. Bei all den Informationen, die ständig auf uns einwirken, bleiben wir nur durch Reduktion überhaupt handlungsfähig. Aber dabei passieren uns Fehler. „Unconscious Bias“ ist hier der Fachbegriff. Das heißt, wir haben – alle – auch Grenzen in unseren Köpfen, die uns bei der Wahrnehmung von Vielfalt im Weg stehen können.

Und im beruflichen Umfeld: Wie schaffen es Organisationen und Unternehmen in ihrer Belegschaft Vielfalt und Einzigartigkeit zu vereinen?

Vielfältige Teams mit unterschiedlichen Merkmalen, Herkünften und Perspektiven bringen nicht zwangsläufig bessere Ergebnisse. Es reicht nicht aus, Teams einfach nur „bunt“ zusammenzustellen. Sondern es braucht eine offene, wertschätzende Teamkultur, in der alle ihre Stärken einbringen können. Sonst erreichen „bunte“ Teams schnell ihre Grenzen – der Fachbegriff hier ist „inclusive culture“.

Vielfalt macht immer Arbeit. Eigene Routinen zu verlassen ist in aller Regel mit Aufwand verbunden. Das gilt für den einzelnen Menschen genauso wie für Institutionen oder Unternehmen. Egal, ob es um die Überarbeitung von Beurteilungskriterien für die Personalauswahl geht oder um die Suche nach vielfältigeren Expert*innen. Oder ob es darum geht, sich den eigenen Vorurteilen zu stellen und sich vorzunehmen, auf andere zuzugehen. Erst einmal entsteht zusätzlicher Aufwand. Arbeitsverdichtung kann deshalb auch eine Grenze für Vielfalt sein. Wer im Hamsterrad unterwegs ist, schaut nicht nach links und rechts. Gerade das wäre aber wichtig, um anderes überhaupt wahrzunehmen.

Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen? Stehen konkrete Projekte zum Thema „Vielfalt“ beim WDR an?

In NRW ist Vielfalt Alltag. Die ständige Weiterentwicklung unserer vielfältigen Gesellschaft kann zu Verunsicherung und Abwehr führen. Als WDR sehen wir unsere Aufgabe darin, diese gesellschaftliche Entwicklung in unseren Programmen in allen Aspekten abzubilden, zu begleiten und zu diskutieren. Dafür arbeiten wir. Und das liegt uns sehr am Herzen.  

Im Moment steht im WDR „Soziale Vielfalt“ im Mittelpunkt unserer Diversityarbeit: Wir wollen sicherstellen, dass wir die soziale Vielfalt Nordrhein-Westfalens, die vielen unterschiedlichen Lebenslagen und Lebenswirklichkeiten täglich im Blick haben und in die Programmarbeit einbringen. Dazu überlegen wir, wie wir die soziale Vielfalt unserer Belegschaft noch besser nutzen können. Und auch hier möchten wir noch stärker in Kontakt treten. So haben wir zum Beispiel ein Fortbildungsprogramm für unsere Mitarbeiter*innen aufgelegt: Sie erhalten Gelegenheit, in Unternehmen, Institutionen und sozialen Einrichtungen in andere Lebens- und Arbeitswelten einzutauchen und vice versa. Das bringt viele Erfahrungen und es macht den Beteiligten Spaß. Und das macht bekanntlich das Lernen leichter.