Hochschule 06.04.2018

Wie geflüchtete Lehrer*innen wieder unterrichten können

Migration und FluchtSeiteneinstieg
Wie geflüchtete Lehrer*innen wieder unterrichten können

Programm „Lehrkräfte Plus“ qualifiziert Vertretungslehrkräfte

Ein Stück Normalität erfahren geflüchtete Lehrkräfte, wenn sie in Deutschland wieder in ihrem Beruf arbeiten können. Bildungsforscherin Prof. Dr. Gabriele Bellenberg erklärt, wie das Projekt „Lehrkräfte Plus“ in der Praxis funktioniert.

  • Autor*in: Jessica Küppers
  • Funktion: Redakteurin im NDS Verlag
Min.

Prof. Dr. Gabriele Bellenberg setzt das Projekt „Lehrkräfte Plus“ an der Ruhruniversität in Bochum um. Im Interview erklärt sie, welche Voraussetzungen Lehrer*innen mit Fluchterfahrung für das Programm mitbringen müssen und wie die Hochschule sie dabei unterstützt, in Deutschland wieder in ihrem Beruf zu arbeiten.

Die Teilnehmer*innen sind Geflüchtete, die in ihren Heimatländern schon als Lehrkräfte tätig waren. Wie können sie in Deutschland wieder in ihrem Beruf arbeiten?

Für Lehrkräfte mit Fluchthintergrund ist es in Deutschland sehr schwer, in ihren ursprünglichen Beruf zurückzukehren. In den meisten Ländern außerhalb Deutschlands ist es üblich, nur ein Fach zu studieren. Auch ein Referendariat gibt es meistens nicht. Daher werden ihre Qualifikationen nicht als gleichwertig zum deutschen Lehramtsabschluss anerkannt. Programme wie „Lehrkräfte Plus“ sind deswegen von großer Bedeutung für geflüchtete Lehrer*innen, da sie ihnen einen Einstieg in das deutsche Schulsystem ermöglichen, den es ohne diese Programme nicht gäbe.

An dem Qualifizierungsprogramm „Lehrkräfte Plus" können nur Lehrkräfte teilnehmen, die in ihrem Heimatland Chemie, Physik, Mathematik, Sport, Englisch oder Französisch unterrichtet haben. Warum kommen nur diese Fächer infrage?

Wir haben uns aus zwei Gründen für diese Fächer entschieden. Zum einen gehen wir davon aus, dass in diesen Fächern vergleichbare Inhalte im Studium in den Heimatländern der Teilnehmer*innen vermittelt wurden wie in Deutschland. So können sie ihre Expertise in deutschen Schulen einbringen. Zum anderen sind Lehrkräfte mit diesen Fächern zurzeit stark nachgefragt und viele Vakanzen können nicht gefüllt werden. Mit dieser Fächerauswahl bieten wir also unseren Teilnehmer*innen eine bessere Chance am Arbeitsmarkt und unterstützen zum anderen Schulen, ihre Fächerabdeckung besser gewährleisten zu können.

Für die Bewerbung brauchen die Interessent*innen ein beglaubigtes Abschlusszeugnis der Hochschule. Wie schwierig ist es für die Bewerber*innen, alle notwendigen Dokumente vorzulegen? Wie unterstützen Sie sie dabei, wenn sie diese Dokumente während ihrer Flucht nicht mitnehmen konnten?

Die größte Herausforderung stellte bisher der Nachweis von schulischen Berufserfahrungen dar. Das haben wir gelöst, indem wir auch andere Nachweise akzeptiert haben, wie zum Beispiel selbstverfasste Beschreibungen des Arbeitsfelds und der eigenen Tätigkeiten sowie Fotografien mit den Schulklassen. Wir sind noch einmal in den Bewerbungsgesprächen auf die Berufserfahrung unserer Bewerber*innen eingegangen und konnten so einen Einblick in ihre Vorkenntnisse gewinnen. Hochschulabschlusszeugnisse wurden bisher von allen Bewerber*innen vorgelegt und sind für eine Teilnahme in unserem Programm essenziell.

Welche Perspektiven haben die Lehrkräfte nach der Qualifizierung in Deutschland?

Zunächst werden die Teilnehmer*innen zu Vertretungslehrkräften ausgebildet. Das heißt, sie können sich nach erfolgreicher Qualifizierung um befristete Stellen an Schulen bewerben. Es gibt darüber hinaus auch die Option des sogenannten kleinen Seiteneinstiegs, der unseren Teilnehmer*innen den Zugang zu unbefristeten Stellen eröffnen kann. Dieser wird auch Lehrkräften mit nur einem Fach angeboten, setzt aber voraus, dass eine neunmonatige pädagogische Qualifizierung parallel zur Arbeit absolviert wird. Zudem haben Teilnehmer*innen die Möglichkeit, im Anschluss an unser Programm ein zweites Fach zu studieren. Durch unser Programm werden sie auch auf ein solches Studium vorbereitet, indem sie sprachlich fortgebildet werden und bildungswissenschaftliche Inhalte vermittelt bekommen, die auch für ein Lehramtsstudium relevant sind.