Die von Ministerpräsident Armin Laschet einberufene Ruhr-Konferenz widmet sich unter Beteiligung aller Ressorts unterschiedlichen Themen, die insbesondere die Lebensbedingungen im Ruhrgebiet betreffen. Zwei der Themenforen befassen sich mit Bildung. Am Donnerstag, 2. Mai 2019, drehte sich bei der Veranstaltung in der Arena „Auf Schalke“ alles um „Beste Bildungschancen unabhängig von Ort und Herkunft – Talentschulen als Modelle für individuelle Förderung.“
Ungleiches ungleich behandeln: mehr Ressourcen bei schweren Bedingungen
In Expert*innenvorträgen, Worldcafés, an Denkstationen und auf einem Markt der Möglichkeiten wurde zum Thema beste Bildung diskutiert. Wissenschaftler*innen mit verschiedenen Schwerpunkten, die unter anderem zu Fragen von gleichen Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft forschen, unterstützten unisono unsere Forderung „Ungleiches ungleich behandeln“.
So fehle es zwar eindeutig und grundsätzlich an Ressourcen im Bildungsbereich, allerdings sei eine Verteilung von Geld mit der Gießkanne nicht ausreichend erfolgversprechend: Dort, wo die Bedingungen schlechter und die Herausforderungen größer sind, müssten eindeutig mehr Ressourcen investiert werden und damit auch mehr Menschen arbeiten. Wenn Politik wirklich bei der Auflösung des Zusammenhangs von Herkunft und Bildung, den uns mit trauriger Regelmäßigkeit von internationalen und nationalen Studien bescheinigt wird, erfolgreich sein möchte, dann muss sie steuern: hin zu einer besseren Ausstattung und Unterstützung von Schulen, die schwerere Bedingungen haben als andere.
Systemische Umstellung statt individueller Talentförderung muss das Ziel sein
Zu besseren Bedingungen gehören neben mehr Lehrer*innen auch mehr Schulsozialarbeiter*innen, weitere Mitarbeiter*innen in multiprofessionellen Teams, mehr und qualitativ hochwertige Fortbildungsangebote, Zeit für Kooperation und weitere Unterstützungsstrukturen für die Schulen.
Als ein Element für gleiche Bildungschancen verstehen sich die Ruhrtalente, ein inzwischen deutlich gewachsenes Projekt ursprünglich aus Gelsenkirchen. Talentcoaches unterstützen Talente, indem sie Mentor*innen für diese sind. Talenten werden im Rahmen des Coachingprogramms beispielsweise Bildungsreisen, Fördermaßnahmen sowie materielle Unterstützung gewährt. Diejenigen Talente, die den Weg in das Programm finden, sind dort auf jeden Fall gut aufgehoben. Allerdings ist diese Art der Förderung eher zufällig. Sie bewirkt keine systemische Umstellung. In dem Sinne, dass das Schulsystem in seiner Gesamtheit befähigt wird, allen Schüler*innen die jeweils beste Förderung zukommen zu lassen und jede*m zum bestmöglichen Bildungserfolg zu bringen. Aber genau das muss unser Ziel sein.
Einzelne Talentschulen lösen nicht das Problem ungleicher Bildungschancen in NRW
Die nun ausgewählten 35 Talentschulen bekommen bessere Bedingungen und vieles von dem, was die GEW NRW für alle Schulen fordert – zumindest aber für all die Schulen, die unter erschwerten Bedingungen arbeiten. 35 Schulen von insgesamt rund 5.800 in NRW sind eindeutig zu wenig! Grundschulen sind bislang keine dabei.
Auch wenn das Ministerium für Schule und Bildung mit dem Projekt verspricht, man wolle damit lediglich anfangen und mit demnächst 60 Talentschulen arbeiten und die Ergebnisse zunächst evaluieren, so erwartet die Bildungsgewerkschaft doch einen Plan: Der Plan muss deutlich machen, bis wann alle Schulen eine entsprechend verbesserte Ausstattung und Unterstützung bekommen. Wenn die Politik noch lange wartet, gehen sehr viele Talente verloren, die nicht in den Genuss einer individuellen Förderung kommen.
In einem weiteren Forum am 27. Mai 2019 wird es um Lehrkräftemangel gehen und um Möglichkeiten diesem zu begegnen.