Für mich ist Schule ein Lebensort und nicht nur ein Arbeitsplatz. Wenn ich morgens durch das Schultor unserer Offenen Ganztagsschule komme, fängt mein Tag mit guter Laune an – egal, was ich gerade privat um die Ohren habe. Mein erster Gang führt mich zum Büro der Schulleiterin, vorbei an der Schulsekretärin und am Büro des Hausmeisters. Überall werde ich freundlich begrüßt, halte ein kurzes Schwätzchen und bespreche kurz aktuelle Anliegen. Wir alle haben das gleiche Ziel: Wir wollen das Beste für unsere Schule und unsere Schüler*innen geben.
Fast alle Kinder unserer Gemeinschaftsgrundschule in der Kölner Innenstadt besuchen den Offenen Ganztag. Das heißt, sie verbringen acht Stunden – zum Teil auch 9 Stunden – in der Schule. Auch für die Kinder ist die Schule nicht mehr nur ein Lernort, sondern ein Lebensort geworden: Hier wird gespielt, hier werden Freundschaften geschlossen, hier wird gemeinsam gegessen, gestritten und sich wieder versöhnt, hier wird sich bewegt und entspannt, hier wird gearbeitet und gefeiert. Das alles ist mehr als Betreuung. Es ist die Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligten. Und nur so gelingt es, den Tag als Ganzes zu gestalten und nicht als additives Nebeneinander zweier Systeme: Unterricht und Nachmittagsprogramm.
Engagement der Kinder als Grundvoraussetzung
Ohne die Mitarbeit der Kinder geht es nicht. Sie decken den Tisch fürs Essen, stellen die Stühle hoch, räumen auf und bestimmen im Schüler*innenrat mit. Es gibt zum Beispiel die „Schöne Schule AG“, eine Schüler*inneninitative, die sich unterstützt von unserer Schulsozialarbeiterin einmal die Woche Putz- und Aufräumarbeiten genauer anschaut. Es ist aber auch das gemeinsame Arbeiten und Miteinanderreden, dass das Gemeinschaftsgefühl ausmacht.
Austausch zwischen Klassenlehrer*innen und OGS-Fachkräften
Damit die Verzahnung in der Offenen Ganztagsschule (OGS) gelingt, braucht es spezielle Kommunikationszeiten und -instrumente. Klassenlehrer*innen und OGS-Fachkräfte müssen sich zum Beispiel regelmäßig austauschen können, damit ein einheitlicher, geschützter Rahmen für den ganzen Schultag entstehen kann. Auch die Mitarbeit der Eltern ist wichtig, um zum Beispiel Hilfen zu beantragen und allen Kindern die Teilnahme an der Gemeinschaft zu ermöglichen.
Schlechte Bezahlung und Personalmangel
Und es braucht Personal, das Bildung als Anleitung zum selbstwirksamen Handeln versteht. Mein Arbeitgeber Netzwerk e.V., ein Träger der freien Jugendhilfe, fördert diesen Ansatz. Wir versuchen, die Kinder fit für die Zukunft zu machen. So leiten wir sie zum Beispiel in einer Streitschlichter*innen-AG an, Konflikte selber zu lösen, Kompromisse zu finden und gegenseitiges Verständnis zu schaffen.
Das alles ist eine sinnvolle Tätigkeit, Bildungs- und Beziehungsarbeit, Spaß und Aktion, Struktur und Offenheit. Diese Aspekte geben junge Menschen heute oftmals als Wünsche für ihr Berufsleben an, aber die Arbeitsbedingungen und vor allem die Bezahlung im Ganztag sind noch zu schlecht. Viele Stellen bleiben unbesetzt.
Einheitliche Standards fehlen
Seit mehr als 15 Jahren ist der Offene Ganztag in der Grundschule ein fester Bestandteil des Bildungssystems. Rund 330.000 Kinder besuchen in NRW die Nachmittagsbetreuung.
Der ständige Ausbau der Ganztagsplätze zeigt die Beliebtheit und Notwendigkeit dieser Institution auf. Die Serviceagentur Ganztägig Lernen des Ministeriums für Schule und Bildung (MSB) NRW sieht den Ganztag als Schnittstelle von Jugendhilfe und Schule.
Jugendhilfe für Kinder im Grundschulbereich in der Schule anzusiedeln, ist grundsätzlich eine gute Idee. Kurze Wege für kurze Beine, Maßnahmen können sinnvoll und effektiv gebündelt werden und die Erziehungsaufgaben moderner Grundschule können besser umgesetzt werden. Im Verbund mit der Schulsozialarbeit kommen Hilfsangebote und Beratung direkt bei den Eltern an.
Große Aufgaben! Doch bisher ist der Ganztag nur als Erlass festgeschrieben. Einheitlich geregelt ist noch gar nichts: weder die Gruppengröße, noch der Personalschlüssel, noch die Bezahlung der Mitarbeiter*innen. In der Mehrzahl übernehmen freie Träger der Jugendhilfe die Nachmittagsbetreuung und setzen ihre eigenen Qualitätsstandards. Vereinzelt übernehmen Kommunen als Schulträger diese Aufgabe. Das müssen wir ändern. Wir brauchen einheitliche Standards, mehr Personal und ein Umdenken: OGS ist eben mehr als nur Betreuung.