Mein Weg in den Erzieher*innenberuf war nicht gradlinig. Zuerst habe ich eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht. Erst im Zivildienst habe ich meine Berufswahl hinterfragt, weil ich ehrenamtlich sehr viel mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet habe. Mir wurde klar, dass ich das beruflich machen möchte. Ich kündigte. Einen Schul- oder Studienplatz hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht.
Über Kontakte kam ich schließlich an das Johann-Michael-Sailer-Institut in Köln-Vogelsang. Der Schwerpunkt der Schule lag im Bereich der Jugendsozialarbeit und hatte wenig mit Kindern in einer Kindertagesstätte zu tun. Wir haben viel Projektarbeit wie beispielsweise eine Theaterwerkstatt gemacht. Das war sehr bereichernd. Heute weiß ich, dass mich die Zeit in Köln entscheidend als Mensch und Persönlichkeit geprägt hat. Direkt nach der Schulzeit und dem Anerkennungsjahr habe ich Sozialarbeit studiert und somit eine umfassende Ausbildung genossen.
Weiterbildung als Lebensaufgabe
Nach dem Studium bin ich in einer großen Kindertagesstätte in Bonn gelandet. Dort war ich zuständig für die Übermittagsbetreuung, Springer und stellvertretende Leitung. Ich hatte noch wenig Erfahrung in einer Kita, aber schon immer eine besondere Gabe, mit Kindern umzugehen.
Ich fand es immer wichtig, mich weiterzubilden und neue Erfahrungen zu machen. Gleichzeitig hat sich die Arbeit mit den Kindern weiterentwickelt. So steht heute das Kind mit seinen Entwicklungsschritten im Mittelpunkt und Erzieher*innen sind eher Begleiter*innen und Unterstützer*innen.
Noch mehr Erfahrungen mit Männern im Kita-Team
Den Beruf des Erziehers gibt es im Bereich der Kindertagesstätten erst seit circa 40 Jahren. So konnten in den 1970er Jahren Männer nur an vier Ausbildungsstätten den Beruf erlernen. Mittlerweile ist das überall möglich und es gibt spezielle Programme, die Männer für den Erzieher*innenberuf interessieren sollen. Das Ziel dieser Programme muss sein, die Arbeit qualitativ zu bereichern.
In der Kita tobe ich manchmal mit den Kindern, kämpfe mit ihnen und arbeite gerne mit Maschinen. Wir bohren gemeinsam Löcher oder schrauben etwas an. Dadurch machen die Kinder Erfahrungen, die sie ohne einen Mann im Team vielleicht seltener gemacht hätten.
Für das Erlernen von Rollenbildern sind Männer genauso wichtig wie Frauen. So entwickeln die Kinder eigene Rollenbilder. Vielen Kindern fehlt heute die männliche Identifikationsfigur in den Familien. Erzieher sind oft ein Vaterersatz. Die Idee ist nicht neu: Schon der Pädagoge und Pestalozzi-Schüler Friedrich Fröbel war der Meinung, dass Kinder sowohl Frauen als auch Männer brauchen, um ein Rollenbild ausbilden zu können.
Gemischte Teams beeinflussen das Arbeitsklima
Von meinen Kolleginnen bekomme ich häufig die Rückmeldung, dass die Arbeit in heterogenen Teams einfacher ist. Sie ist auch bereichernder für die Kinder, weil unterschiedliche Sichtweisen in die Arbeit eingebracht werden. Dennoch wollen bisher nur wenige Männer als Erzieher arbeiten.
In der Folge entscheiden oft Frauen über die Raumgestaltung, Spielangebote, Kommunikationsstile und Konfliktverhalten. Typisch männliche Verhaltensweisen kommen zu kurz. Männer sind in den Einrichtungen oft isoliert und fühlen sich mit ihren Themen nicht gesehen. Deshalb ist es in der Praxis wichtig, dass sie ihre Interessen durchsetzen und Frauen andere Sichtweisen akzeptieren.
Im Kontakt mit Eltern führen Erzieher nachweislich dazu, dass Väter sich vermehrt in die Aktivitäten der Kita einbringen und verstärkt in die Erziehung der Kinder involviert sind.
Anerkennung des Erzieher*innenberufs
Eine Befragung aus dem Jahr 2010 von Sozialwissenschaftler Michael Cremers und Politologe Jens Krabel zur Situation von Männern in Kitas und in der Erzieherausbildung zeigt, dass das gesellschaftliche Ansehen des Berufs steigen würde, wenn mehr Männer ihn ausüben würden. In Deutschland sind Anerkennung und Bezahlung sehr eng miteinander verzahnt. Daher setzt sich die GEW NRW für eine finanzielle Aufwertung für alle Erzieher*innen in der aktuellen Tarifrunde des öffentlichen Dienstes ein.