Mit dem 9. Schulrechtsänderungsgesetz hat sich NRW im Jahr 2013 verpflichtet, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Das bedeutet konkret, das Menschenrecht auf inklusive Bildung „ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen“– und zwar „auf allen Ebenen und lebenslang“. Doch was genau steckt eigentlich hinter dem Begriff der Inklusion?
Zweiter Bildungsweg bietet eine zweite Chance
Umfassend verstanden bedeutet Inklusion, dass alle Menschen, gleich welchen Alters, Teilhabe an Bildung haben. Die Schulen des Zweiten Bildungswegs leisten dazu einen wichtigen Beitrag. In einem Schulsystem, das sozial hoch selektiv ist wie beispielsweise die Mercator-Studie kürzlich erneut gezeigt hat, stellt der Zweite Bildungsweg ein notwendiges Korrektiv sozialer Bildungsbenachteiligung dar.
Menschen, die aus verschiedenen Gründen einen angestrebten Schulabschluss im Regelschulsystem nicht machen konnten, bekommen eine Chance auf Bildung. Möglich ist das nur durch jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Heterogenität, Diversität und kontinuierlich weiterentwickelte Unterstützungsstrukturen, die es an den Schulen und in den Kollegien gibt.
Schulabschlüsse für geflüchtete Erwachsene
Ein weitgefasster Begriff von Inklusion bedeutet ebenso, dass in NRW lebende Menschen, deren Herkunftsland nicht Deutschland ist, Teilhabe an Bildung haben. Auch in diesem Bereich kommt den Schulen des Zweiten Bildungswegs eine bedeutende Funktion zu. Die Weiterbildungskollegs weisen im Vergleich zu anderen Schulformen den höchsten Anteil an Studierenden mit ausländischem Pass auf. In NRW haben weit mehr als ein Viertel der Studierenden laut amtlicher Statistik eine ausländische Staatsangehörigkeit. Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund dort studieren, wird nicht erfasst.
Im Schuljahr 2016/2017 besuchten Studierende aus über 80 Nationen Weiterbildungskollegs in NRW. Ein Grund: Nicht mehr schulpflichtige Menschen können dort eine Schulausbildung abschließen, die sie wegen Krieg und Flucht abbrechen mussten. Auf diese Weise trägt der Zweite Bildungsweg zur Integration erwachsener Geflüchteter bei.
Flexibilität und Förderung an Weiterbildungskollegs
Die Schulen des Zweiten Bildungsweges schaffen Bildungsbeteiligung unter anderem durch besonders flexible Unterrichtszeiten und -modelle: Die Stunden finden etwa abends und am Wochenende statt. Zusätzlich gibt es Onlinekurse oder Angebote für Studierende mit untypischen Arbeitszeiten.
Teilhabe wird auch durch individuelle Beratung und Förderung von Studierenden in schwierigen Lebenslagen ermöglicht. Deshalb arbeiten im Zweiten Bildungsweg Schulsozialarbeiter*innen und -psycholog*innen sowie Beratungslehrer*innen mit unterschiedlichen Zusatzausbildungen und Beratungsteams. Individuelle Beratung und Förderung ist Teil der täglichen Arbeit aller Kolleg*innen.
Für die Interessen der Kolleg*innen an den Schulen des Zweiten Bildungswegs in NRW macht sich die Fachgruppe Erwachsenenbildung der GEW NRW stark.
Florian Beer, Leitungsteam des Fachgruppenausschusses Erwachsenenbildung der GEW NRW