Not macht erfinderisch: Die strukturelle Unterfinanzierung und die organisatorischen und formalen Voraussetzungen zwingen Kommunen in NRW, neue Wege zur Realisierung größerer Investitionsvorhaben zu suchen. Die Gründung der ProZent GmbH war – aus Sicht des Stadtrats und des Kämmerers – notwendige Weichenstellung der Stadt Dinslaken, um den Abbau des ermittelten Investitionsstaus in den Schulen zielgerichtet zu erreichen. Die Stadt hofft, mit dieser hundertprozentigen Tochtergesellschaft einen wirtschaftlichen Weg gefunden zu haben, die städtischen Schulgebäude und Turnhallen zu sanieren.
Bauliche Investitionen noch vor 20 Jahren höher
Es ist schwer vorstellbar, wenn die Kämmer*innen der deutschen Kommunen den Investitionsbedarf in die deutsche Schulinfrastruktur auf aktuell rund 34 Milliarden Euro schätzen. Niemand wird widersprechen, dass moderne Schulen wichtige Voraussetzung für ein leistungsstarkes Bildungssystem sind. Dennoch lagen – nach Auskunft einer Studie im Auftrag der Kreditanstalt für Wiederaufbau – die baulichen Investitionen in Schulgebäude im Jahr 2015 bei nur noch rund 25 Prozent der kommunalen Gesamtausgaben für allgemeinbildende und berufliche Schulen, während es vor 20 Jahren noch über 45 Prozent waren.
Enorme Kosten für Umbau und Sanierung für Kommunen in NRW
Was bedeutet das heute für eine Kleinstadt mit etwa 70.000 Einwohner*innen? Investitionen im Umfang von mehr als 30 Millionen Euro in den nächsten sechs Jahren. Neubauten, Erweiterungsbauten und umfassende Komplettsanierungen sind die eine Seite der Medaille, punktuelle Sanierungen und Modernisierungen die andere. Die Sanierungen sind erforderlich, um schwer erträgliche Zustände für Beschäftigte und Lernende an Schulen zu beheben. Modernisierungen – zum Beispiel den Ausbau der Schulnetze – erwarten Schüler*innen und Lehrer*innen sehnlich, um zeitgemäßen Unterricht durchführen zu können.
Beispiele aus der Liste der aktuellen Sanierungsmaßnahmen in Dinslaken lassen den Nachholbedarf und die erforderlichen Finanzmittel erahnen: Die Sanierung von Umkleideräumen der Ernst-Barlach-Gesamtschule erfordert 150.000,- Euro, die nachträglich auf den Weg gebrachte Schulhofgestaltung der komplett sanierten Grundschule Gartenstraße wird mit mehr als 300.000,- Euro veranschlagt und Brandschutzmaßnahmen in zwei Schulgebäuden kosten 150.000,- Euro.
Stemmen muss die Kommune jedoch auch die Kosten für Neu- und Erweiterungsbauten. Hier werden schnell Millionen fällig: 5,8 Millionen Euro für den Aus- und Umbau der Hagenschule und 5,2 Millionen Euro für den der Bruchschule verdeutlichen beispielhaft die Dimensionen.
Gute Schule 2020 in Dinslaken – alles wird gut?
Beschlüsse des Bauausschusses des Dinslakener Stadtrats zeigen auf, wie das Landeskreditprogramm Gute Schule 2020 in der Regel wirkt: Die Kredite für die Jahre 2017 bis 2020 aus dem Programm werden in das bereits beschlossene Schulsanierungsprogramm einfließen. Das Kreditvolumen für das Jahr 2017 in Höhe von circa 1,6 Millionen Euro wird für den bereits beschlossenen Neubau der Aula der Ernst-Barlach-Gesamtschule verwendet.
Das Kreditvolumen für das Jahr 2018 soll für ein bereits geplantes Bauvorhaben an einer Grundschule verwandt werden. Gute Schule 2020 ist demnach ein notwendiges Instrument der finanziellen Entlastung von Kommunen, es ist kein Startschuss für zusätzliche Bildungsinvestitionen.
Kommunen brauchen mehr Unterstützung durch Bund und Land
Der Trend steigender Investitionsrückstände muss gebrochen werden, um das Bildungssystem zukunftsfit zu machen und das Bildungsniveau langfristig zu steigern. Die GEW fordert daher auch im Bundestagswahlkampf die Auflage eines Sanierungs- und Modernisierungsprogramms für allgemein- und berufsbildende Schulen. Der Bund muss Verantwortung für kommunale Bildungsinvestitionen übernehmen. Nur dann können Kommunen ihre Aufgaben erfüllen – ob mit oder ohne ProZent GmbH.
Zum Hintergrund
Die ProZent GmbH wurde 2014 als Tochter der Stadt Dinslaken gegründet. Sie sollte ursprünglich ausschließlich die Sanierung der Schulen planen und organisieren. Zwischenzeitlich werden ihr auch andere kommunale Projekte übertragen. Die Gesellschaft ist seither stetig gewachsen – auf mittlerweile 13 Mitarbeiter*innen.