Analog zur Schweiz basiert das Rentensystem in Liechtenstein auf einem Drei-Säulen-Konzept. Die erste Säule, die staatliche Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zielt auf die Absicherung des Existenzminimums der Versicherten und ihren Angehörigen im Alter, bei Invalidität und im Todesfall ab. Mit der zweiten Säule, der betrieblichen Vorsorge, soll über die erste Säule hinaus auch der gewohnte Lebensstandard ermöglicht werden. Die 3. Säule, die freiwillige Selbstvorsorge, dient der Schließung von Vorsorgelücken, welche durch die 1. und 2. Säule nicht abgedeckt werden können.
AHV – Beitragspflicht für Arbeitnehmende, Nichterwerbstätige und Arbeitgeber
Die AHV besteht seit 1954 und ist der bedeutendste Pfeiler der Vorsorge. Sie wird wie in der Schweiz und in Deutschland nach dem Umlageverfahren finanziert. Die Leistungen werden hauptsächlich mit den Beiträgen der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert. Ab 1. Januar 2018 werden die Beiträge bei 9,6 Lohnprozenten liegen, wovon Arbeitnehmende 4,7 Prozent und Arbeitgeber 4,9 Prozent des Bruttolohns beisteuern.
Das ordentliche Rentenalter für Frauen und Männer wurde im Zuge der letzten Revision von 64 auf 65 Jahre erhöht. Im Unterschied zu verschiedenen ausländischen Systemen sind in Liechtenstein nebst erwerbstätigen Personen auch nichterwerbstätige Personen beitragspflichtig.
Betriebliche Vorsorge und eigene Vorsorge für Lehrkräfte
Für die betriebliche Vorsorge besteht seit 1989 ein Obligatorium. Die Eintrittsschwelle wird ab 1. Januar 2018 bei einem Jahreseinkommen von 13.920,- Schweizer Franken (CHF) liegen – das sind rund 12.225,- Euro. Die altersunabhängigen Sparbeiträge müssen mindestens acht Lohnprozente erreichen, wobei der Arbeitgeber die Hälfte zu tragen hat.
Der Arbeitgeber kann sich einer Vorsorgeeinrichtung anschliessen oder eine eigene gründen. Lehrer*innen an öffentlichen Schulen gelten als Landesangestellte und haben eine eigene Vorsorgeeinrichtung.
Mehr Zuwanderung, um Rentenlücke zu schließen?
Das Drei-Säulen-Modell ist auf eine durchgehende Erwerbstätigkeit ausgerichtet. Durch Erwerbsunterbrechungen wie Arbeitslosigkeit und Elternzeit entstehen insbesondere in der zweiten Säule erhebliche Lücken.
Infolge der demografischen Entwicklung kommen auch in Liechtenstein auf eine Person in Rente immer weniger Erwerbstätige. Zusätzlich verkürzt sich die Erwerbsphase durch vermehrte Frühpensionierungen von Arbeitnehmenden, die es sich leisten können und längere Ausbildungsphasen – eine immer größere Nachhaltigkeitslücke entsteht in der AHV. Um diese Nachhaltigkeitslücke zu schließen, braucht Liechtenstein mehr Zuwanderung, Produktivitätssteigerungen oder längere Arbeitszeiten.
Der Wettbewerb zwischen den Ländern und Regionen um Fachkräfte wird sich massiv verstärken. Zuwanderung stellt aber auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung dar, wie das Schweizer Abstimmungsergebnis zur Masseneinwanderungsinitiative zeigte.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss verbessert werden
Produktivitätssteigerung wird durch Innovationen und verbesserte Produktions- und Arbeitsabläufe erreicht. Arbeitgeberverbände fordern aber immer lauter Produktivitätssteigerung durch längere Wochenarbeitszeiten. Längere Arbeitszeiten stehen aber der Innovation im Weg, weil Kostenersparnisse im Vordergrund stehen und nicht verbesserte Produktions- und Arbeitsabläufe.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird erschwert, was sich negativ auf die Geburtenrate auswirkt. Aus mehr Arbeit, mehr Druck und weniger Regeneration folgen mehr und längere Krankheiten insbesondere im Alter.
Noch längere Lebensarbeitszeit geht an Realität vorbei
In Zukunft wird es unumgänglich sein, die Lebensarbeitszeit zu verlängern. Der LANV wehrt sich aber gegen eine pauschale Erhöhung des Rentenalters zur langfristigen finanziellen Sicherung der AHV, da diese vollkommen an der Realität vorbeigeht. Schon heute liegen das ordentliche und das tatsächliche Rentenalter weit auseinander. Wir brauchen eine Erhöhung der Beschäftigungsfähigkeit und nicht eine Erhöhung des Renteneintrittsalters – das heißt weniger Frühpensionierungen und weniger vorzeitiges Ausscheiden aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund von Altersarbeitslosigkeit.
Perspektivenwechsel zu einer neuen Alterskultur
Durch die Abschiebung von leistungsfähigen Älteren aus dem Arbeitsleben wird wertvolles Erfahrungswissen entwertet, was zu einem negativen Altersbild beiträgt. Dringend notwendig ist ein Perspektivenwechsel zu einer neuen Alterskultur, die weit über die Diskussion über das Pensionsalter hinausgeht. Die Wirtschaft, die Sozial- und Gesundheitspolitik, das Bildungswesen und der Arbeitsmarkt müssen umdenken und sich neu ausrichten.
Wie Rente in Deutschland funktioniert, wie Berufseinstieg und Altersvorsorge zusammenkommen und welche Forderungen die GEW in Sachen Rente vor der Bundestagswahl an die Politik richtet, erklärt die nds 8-2017 – Die Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft.