Die Gruppe Gedenkstättenfahrten hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schüler*innen etwa durch Besuche von Gedenkstätten in ganz Deutschland an das Thema heranzuführen. Die drei pensionierten Pädagog*innen Gregor Randerath aus Köln, Anne Ackers-Weiss aus Düsseldorf und Klaus Schlotterose aus Bonn, die während ihrer aktiven Zeit als Lehrer*innen selbst Gedenkstättenfahrten angeboten, Zeitzeug*innen in die Schule eingeladen haben und an deutsch-israelischen Schüleraustausch-Programmen beteiligt waren, haben ihre Erfahrungen zu dieser besonderen Form der Erinnerungskultur auf der Internetseite gedenkstaettenfahrten.de zusammengefügt.
Antisemitismus und Rassismus: Schüler*innen mit Besuchen von Gedenkstätten sensibilisieren
„Gedenkstätten zu besuchen ist eine Chance, Schüler*innen gegen Antisemitismus, Rassismus und Feindschaft gegenüber Minderheiten zu sensibilisieren“, nennt Gregor Randerath das Ziel des Angebots. „Gemäß dem Satz von Theodor W. Adorno, das Ziel aller Pädagogik müsse es sein, dass Auschwitz sich nicht wiederhole, möchten wir auch anderen Lehrer*innen diese praxisnahen Angebote vorstellen und sie ermutigen, solche Fahrten zu machen“.
Auch ein dreiviertel Jahrhundert nach Kriegsende sei es wichtig, dass Schüler*innen sich im Unterricht mit dem Thema befassten. Vorurteile, Verrohung der Sprache, rassistisches Denken – viele Entwicklungen, die zum Nationalsozialismus geführt hätten, seien auch heute wieder zu beobachten.
Erinnern an den Zweiten Weltkrieg: Gedenkstätten regen zum Nachdenken an
Junge Menschen für die Gefahren von Ausgrenzung zu sensibilisieren und zum Nachdenken anzuregen, könne an den Gedenkorten gelingen. „Die Gedenkstätten sind historische Orte, nicht unbedingt authentische Orte, sondern Museen, die weiterentwickelt wurden und viele pädagogische Angebote bieten“, so Gregor Randerath.
Der pensionierte Gesamtschullehrer hat mit seinen Klassen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass bei jungen Menschen die gewünschte Sensibilisierung eintritt. „Wir möchten die Schüler*innen ja nicht indoktrinieren, nicht am Ende des Besuchs einer Gedenkstätte einen Fragebogen ausfüllen lassen und die ihre Äußerungen bewerten“, stellt er klar. „Nach unseren Erfahrungen ist die Chance aber sehr groß, dass ein Erschrecken über das Geschehene und ein Nachdenken stattfindet.“
Stolpersteine in der eigenen Stadt und Erzählungen von Zeitzeug*innen im Unterricht
Die Gedenkstätten-Fahrten seien natürlich abhängig vom Alter der Jugendlichen. „Besuche in Konzentrationslagern wie Auschwitz empfehlen wir ab der 10. Klasse“, so Gregor Randerath. Es gebe aber auch zahlreiche Mahn- und Gedenkstätten in der näheren Umgebung in NRW. „Auch die Stolpersteine in der eigenen Stadt, die an die Wohnhäuser deportierter Jüd*innen erinnern, oder die Pflege der Gräber können eine gute Vorbereitung für jüngere Schüler*innen sein“, so der Pädagoge.
Gregor Randerath empfiehlt auch das Projekt ZWEITZEUGEN e.V., in dem die Mitarbeiter*innen Interviews mit Zeitzeug*innen des Holocaust geführt haben, um die Erinnerungen derer, die meist über 80 oder 90 Jahre alt sind, zu konservieren und wachzuhalten. „Mit diesen Foto- und Textdokumenten gehen die ,Zweitzeugen‘ dann in die Schulen.“
Fragen und Antworten rund um Gedenkstättenfahrten für Schulen
Auf der eigenen Homepage gedenkstaettenfahrten.de bieten Gregor Randerath und seine Mitstreiter*innen einen Überblick über viele Gedenkstätten, die Lehrkräfte mit ihren Schüler*innen besuchen können. Zudem gibt es Infos über Fördermöglichkeiten oder einzuhaltende Fristen, etwa für Anträge beim Schulministerium oder bei der Stiftung Erinnern.
Auch für die Durchführung und Nachbereitung der Fahrten bekommen interessierte Lehrer*innen Wissen der Expert*innen an die Hand. So finden sie auf der Homepage beispielsweise einen Artikel einer Gedenkstättenpädagogin, die lange in Sachsenhausen gearbeitet hat und praxisnah aus der Sicht eines Guides berichtet. Wie bereite ich Schülergruppe vor? Kann ich auch einen Schüler mitnehmen, der sich im Unterricht schon mal daneben benimmt oder jemanden, der rechte Äußerungen von sich gegeben hat? Muss ich Schüler*innen etwa mit jüdischen Wurzeln besonders vorbereiten? „Wir haben viele Erfahrungen von Kolleg*innen, die solche Fahrten unternommen haben, eingeholt“, betont Gregor Randerath.
Wie können wir Gedenken in Zeiten der Corona-Pandemie?
Aktuell in der Corona-Pandemie, wo Schüler*innenfahrten nicht stattfinden können, empfiehlt Gregor Randerath, digitale Angebote zu nutzen. „Viele Gedenkstätten haben ihre digitalen Informationsangebote jetzt in der Pandemie ausgeweitet.“ Er empfiehlt etwa einen virtuellen Rundgang durch das Anne-Frank-Haus in Amsterdam, die Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf oder das EL-DE-Haus, die ehemalige Gestapozentrale in Köln. Wenn dies corona-bedingt wieder möglich sei, empfiehlt er auch Tagestouren zu Gedenkstätten in der Region. „In den nächsten Monaten wird es sicherlich vielen Kolleg*innen nicht möglich sein, Gedenkstättenfahrten zu unternehmen, aber es kommt jetzt die Zeit, Gedenkstättenfahrten für Ende des Jahres oder das kommende Jahr zu planen und vorzubereiten.“
Erinnerungskultur in das Schulprogramm integrieren
Die Fahrten sollten auf jeden Fall keine Einzelereignisse bleiben. Empfohlen wird, die Erinnerungskultur in das Schulprogramm einzubauen. „Etwa das Projekt ZWEITZEUGEN in der 8. Klasse, die Suche nach Stolpersteinen in Klasse 9, im 10. Jahrgang eine Fahrt in die Region und in der Oberstufe eine größere Gedenkstättenfahrt.“
Zwar empfehlen einige Institutionen, sich bei mehrtägigen Fahrten auf einen Ort zu beschränken. Seiner Erfahrung nach sei es aber auch sinnvoll, die Fahrten in die Konzentrationslager-Gedenkstätten mit einem Stadtbesuch zu kombinieren, etwa den Besuch in Auschwitz mit Krakau, Dachau mit München, Sachsenhausen mit Berlin, Buchenwald mit Weimar oder Natzweiler-Struthof mit Straßburg. „Dann bekommt die Reise in die traurige Vergangenheit auch immer einen positiven Blick in die Zukunft.“