Erwachsenenbildung 01.07.2021

Überraschende Wendung bei WbG-Novelle

WeiterbildungGehaltPrekäre Beschäftigung

Landtag NRW nimmt Novellierungsentwurf des Weiterbildungsgesetzes und Entschließungsantrag an

Der Novellierungsentwurf des Weiterbildungsgesetzes (WbG) wurde am 30. Juni 2021 einstimmig im Landtag verabschiedet. Zur großen Überraschung brachten CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Entschließungsantrag ein, der ebenfalls beschlossen wurde und etliche Punkte beinhaltet, die die GEW NRW zuvor als verbesserungswürdig aufgeführt hatte.

  • Autor*in: Max-Georg Beier
  • Funktion: Experte der GEW NRW für Erwachsenenbildung 
Min.

Lange Zeit hatte es nicht danach ausgesehen, dass es zu dieser Verbesserung kommen würde. Offen bleibt jedoch weiterhin, wie Finanzierung und Besserstellung soloselbständiger Kursleiter*innen umgesetzt werden können. Schauen wir auf den bisherigen Hergang des Novellierungsentwurfs des Weiterbildungsgesetzes zurück, lassen sich vielfache Kritikpunkte am Prozedere und an den Inhalten ausmachen: Am 12. Mai 2021 hat der Wissenschaftsausschuss des Landtags die Anhörung zum novellierten WbG durchgeführt. Eingeladen waren dazu ausschließlich Vertreter*innen von Träger*innen und damit von Arbeitgebern. Der DGB NRW und die GEW NRW als Interessenvertreter*innen der Beschäftigten sowie der Bildungsteilnehmer*innen waren nicht eingeladen. Die Interessen und die prekäre Situation der Beschäftigten – und hier insbesondere der Dozent*innen – spielten in den Stellungnahmen der eingeladenen Sachverständigen sowie bei den Fragen und Antworten in der Anhörung keine Rolle.

GEW NRW und DGB NRW kritisierten Beteiligungsverfahren zum WbG-Novellierungsentwurf 

GEW NRW und DGB NRW haben sich über die Nichteinladung beschwert. Die ehemalige Vorsitzende des GEW-Landesverbands Maike Finnern hat in Briefen an die Fraktionsvorsitzenden der demokratischen Parteien im Landtag die kritische Position der Bildungsgewerkschaft zum Novellierungsentwurf deutlich gemacht und erhebliche Nachbesserung bei Finanzierung und Verbesserungen insbesondere bei den soloselbständigen Kursleiter*innen angemahnt.

Kritisiert wurde in der Anhörung insbesondere,

  • dass die angekündigte Dynamisierung des Weiterbildungsetats nicht im Gesetz verankert werden soll.
  • dass die Mittel für den zweiten Bildungsweg (ZBW) zum Nachholen von Schulabschlüssen trotz Verdopplung bei Weitem nicht ausreichen. Wegen der Corona-Pandemie ist davon auszugehen, dass die Zahl der Schulabgänger*innen ohne Schulabschluss in den kommenden Jahren drastisch ansteigen wird. 
  • dass neben der Förderung des hauptamtlichen Personals auch die zusätzlich im Gesetz genannten Förderungsmöglichkeiten gleichberechtigt erwähnt werden sollten. Hier wurde von etlichen Redner*innen der Begriff „Bildungsbudget“ in die Diskussion eingebracht.

Änderungsantrag von CDU, FDP, SPD und GRÜNEN beinhaltete Marginalie

Daraufhin brachten CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/ DIE GRÜNEN – also die vier Parteien, die den Novellierungsentwurf aufgesetzt hatten – in der Ausschusssitzung am 23. Juni 2021 einen Änderungsantrag zum Novellierungsentwurf des WbG ein. Wer nun Großes erwartet hatte, wurde enttäuscht. Denn im Änderungsantrag wurde lediglich im § 7 „Förderung der Weiterbildung“ der Begriff „Bildungsbudget“ ergänzt und war die einzige Reaktion auf die Anregungen, die es in der Anhörung gegeben hatte.

Der Wissenschaftsausschuss empfahl schließlich am 25. Juni 2021 für die Zweite Lesung des Novellierungsentwurfs die Annahme in der überarbeiteten Fassung, der der Landtag in seiner Sitzung am 30. Juni 2021 folgte und somit dem Gesetzentwurf auch abschließend zustimmte.

Fraktionen bringen überraschend Entschließungsantrag ein


Überraschend hatten die vier Fraktionen am 29. Juni 2021 einen Entschließungsantrag in den Landtag eingebracht. Dieser wurde ebenfalls am 30. Juni 2021 beschlossen. In diesem Antrag werden alle Punkte, die die GEW NRW kritisiert hat, als verbesserungswürdig aufgeführt. Darunter auch folgende Formulierung: „Die Qualität der Bildungsveranstaltungen der gemeinwohlorientierten Weiterbildungseinrichtungen in NRW wird überwiegend von freiberuflichen Dozentinnen und Dozenten sichergestellt. Für diese Gruppe gibt es Verbesserungspotential im Hinblick auf die Honorar- bzw. Arbeitsbedingungen. Alle Verantwortlichen in den Weiterbildungseinrichtungen und für die Weiterbildung Verantwortung Tragenden sind aufgefordert, angemessene Arbeitsbedingungen wie eine qualifikationsadäquate Bezahlung bzw. über Festanstellungen für eine Absicherung von Dozentinnen und Dozenten Sorge zu tragen.“

Prekäre Beschäftigungsbedingungen von Soloselbstständigen in Beschlussfassung nicht aufgeführt

Besonders perfide ist, dass anders als bei den anderen im Entschließungsantrag genannten Punkten in der Beschlussfassung der Punkt der prekären Beschäftigung nicht mehr auftaucht. Die Beschlussfassung lautet wörtlich:

„Der Landtag stellt fest,

  • dass die seit 2018 geübte Praxis der Dynamisierung um 2 Prozent des Höchstförderbetrags der Einrichtungen, die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist, auch darüber hinaus fortgeführt werden sollte.
  • dass die neuen Förderinstrumente Entwicklungspauschale' und 'Innovationsfonds' nach zwei Jahren zu evaluieren und bei finanziell steigendem Bedarf entsprechend nachzusteuern sind.
  • dass die neuen Formate, u.a. in der Familienbildung ebenso nach zwei Jahren zu überprüfen sind.
  • dass die finanzielle Ausstattung des zweiten Bildungswegs (Nachholen von Schulab- schlüssen und Grundbildung) bei weiter zunehmenden Bedarf entsprechend nachgesteuert wird.
  • dass bei der Gestaltung und Ausstattung von Förderprogrammen des Bundes oder Landes im Bildungsbereich (z.B. Digitalisierung) die gemeinwohlorientierte Weiterbildung zu berücksichtigen ist.
  • dass in angemessener Frist zu prüfen ist, ob die finanzielle Ausstattung bei zunehmendem Bedarf an Angeboten zur Grundbildung und dem Nachholen von Schulabschlüssen noch auskömmlich ist.“

GEW NRW behält Finanzierung der Weiterbildung und Situation der Soloselbstständigen im Blick

Mit dem Entschließungsantrag wird deutlich, dass dem Willen der Landtagsabgeordneten aus dem Bildungsbereich der vier Fraktionen bei der Novellierung deutliche Grenzen durch den Finanzminister aufgezeigt wurden. Die GEW NRW wird darauf achten, dass der Entschließungsantrag in den kommenden Jahren wirksam wird. Zudem wird die GEW NRW sich weiterhin dafür einsetzen, dass die Finanzierung und Arbeitsbedingungen von Soloselbstständigen verbessert werden.

Deshalb ruht die Hoffnung unter anderem auf den Beratungen zum NRW-Haushalt 2022. Dann wird sich zeigen, ob die Gemeinsamkeit der vier Fraktionen bestehen bleibt oder ob es in Entschließungsanträgen zu einer deutlich verbesserten Förderung der Weiterbildung in NRW kommt. Diese könnte sich dann auch positiv auf die Lage der Soloselbstständigen auswirken.