lautstark. 02.08.2023

Starke Tarifrunden für gerechte Verteilung

TarifrundeGehalt

Kommentar: Tarifverträge in Zeiten hoher Inflation

Wenn die Inflation durch die Decke geht, wird es vor allem für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen eng. Gerade jetzt müssen die Gewerkschaften in den Tarifrunden faire Gehälter erkämpfen – auch um die Gesellschaft vor Spaltung zu schützen.

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  • Ausgabe: lautstark. 04/2023 | Tarifarbeit: Gemeinsam stark
  • Autor*in: Yasmin Fahimi
  • Funktion: Vorsitzende des DBG
Min.

Seit Jahrzehnten bereiten uns die anhaltenden Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand und ihre Folgen im Bereich der sozialen und öffentlichen Infrastruktur massive Probleme. Kurzarbeit und die notwendigen Betriebsschließungen während der Coronapandemie haben zusätzlichen sozialen und wirtschaftlichen Schaden verursacht. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns 2022 alle erschüttert und die Wirtschaft steht durch die anhaltenden Kämpfe über ein Jahr später vor enormen Herausforderungen. All diese Krisen haben nicht nur Auswirkungen auf die Erwerbsperspektiven der Beschäftigten in den jeweils besonders betroffenen Betrieben, sondern auch auf die Organisation unseres Alltags und die dramatisch gestiegenen Lebenshaltungskosten.

Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen haben kaum oder keine Rücklagen mehr, um Realeinkommensverluste zu kompensieren. Der leichtfertig ausgesprochene Hinweis auf „Wohlstandsverluste“ trifft diese Menschen eben nicht bei Luxusgütern, sondern in der oft schmerzlichen Einschränkung des täglichen Lebens. Zudem fällt die Inflationsrate für sie individuell höher aus, weil sie ihr Geld ohnehin bereits für Lebensmittel, Energie und andere Güter ausgeben, deren Preise besonders stark gestiegen sind. In Summe zeigt sich: Vor allem die normal abhängig Beschäftigten tragen die Last der Inflation in besonderem Maße. Die Inflation ist ein Verteilungsproblem!

Das erste und wichtigste Instrument zur Lösung dieses Problems sind faire und der wirtschaftlichen Situation angepasste Löhne und Gehälter – und die gibt es nur mit Tarifverträgen. Denn mit ihnen erstreiten wir Gewerkschaften eine gerechtere Primärverteilung zwischen Kapital und Arbeit. Mit Tarifverträgen schaffen wir einen Schutz vor Lohndumping und sind unabhängig von Maßnahmen der Politik. 

In den bisherigen Lohnrunden des Jahres 2023 konnten durch hohe tabellenwirksame Lohnsteigerungen sowie zusätzlich oft mit einer steuerfreien „Inflationsausgleichsprämie“ die Kaufkraft gesichert und der Grundstein für steigende Reallöhne gelegt werden. Fest steht: Die Löhne müssen weiter zulegen. Denn in den vorangegangenen zwei Jahren wuchsen sie krisenbedingt in der Regel langsamer als die Inflation. 

Und auch für die Jahre 2023/2024 zeichnet sich keine vollständige Beruhigung ab. Daher bleiben starke Tarifrunden wichtig und tragen zum Schutz gegen die gesellschaftliche Spaltung bei. Klar ist aber auch: Der Inflationsschock kann nicht allein von der Tarifpolitik abgefedert werden. Deshalb haben der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften schon früh – und letztendlich erfolgreich – für Entlastungen durch die Bundesregierung gekämpft. Und wir kämpfen weiter!