Offener Ganztag 23.05.2023

OGS-Rechtsanspruch: Für die Politik tickt die Uhr

FachkräftemangelSchulrecht
  • Autor*in: Alexandra Klöckener
  • Funktion: Mitglied im Ausschuss Offener Ganztag der GEW NRW

Rahmenbedingungen für die Umsetzung müssen her

Erst in drei Jahren tritt der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Kraft. Doch für die Politik tickt schon jetzt die Uhr. Gut vorbereitet ist die Regierung nicht: Es fehlen festgelegte Qualitätsstandards, einheitliche Rahmenbedingung und Fachkräfte.

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Die Beschäftigten des Offenen Ganztages haben mit dem Rechtsanspruch große Hoffnungen verknüpft. Denn bisher beschränkten sich die Regelungen für die Ganztagsbetreuung auf einige kurze Erlasse im Schulgesetz. Doch mit der bundesweiten Regelung des Rechtsanspruchs im Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII, § 24) fehlt es auch jetzt an festgelegten Standards bezüglich Fachkraft-Kind-Relation, Gruppengrößen, Öffnungszeiten und anderer relevanter Rahmenbedingungen.

Die gesetzlichen Vorgaben enttäuschen 

Die gesetzlichen Vorgaben enttäuschen: Die Politik hält am Trägermodell fest und zerschlägt unsere Hoffnung auf eine Vernetzung von Schule und Ganztag. Die Gestaltung des außerunterrichtlichen Angebots liegt beim Trägermodell in der Verantwortung eines öffentlichen Trägers der Jugendhilfe. Es werden also wieder zwei verschiedene Systeme mit unterschiedlichen Voraussetzungen gegeneinander in Anschlag gebracht: Schule - in öffentlicher Trägerschaft der Kommune - und Jugendhilfe, die überwiegend von freien Trägern angeboten wird. Das System führt aktuell schon dazu, dass nicht immer klar ist, welche Kompetenzen und Aufgaben bei welchem Träger und damit letztlich auch bei welchen Beschäftigten liegen. Dieses additive System wird also fortgeschrieben. Unterricht findet ausschließlich am Vormittag statt. Am Nachmittag ist die Jugendhilfe mit ihrem außerunterrichtlichen Angebot zuständig. Mit der Beibehaltung dieses Modells sind die meisten Kolleg*innen gezwungen, in Teilzeit zu arbeiten, da die Arbeitszeiten es nicht anders vorsehen. Das macht den Arbeitsplatzes OGS nicht attraktiver - im Gegenteil. Viele Kolleg*innen können sich diese Stelle im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten. 

Politik verspielt Chancen

In ganz NRW gibt es zudem nur neun gebundene Ganztagsgrundschulen und auch dies soll wohl so bleiben. Schade! Den Grundschulen, die schon alle Schüler*innen im Offenen Ganztag unterbringen konnten, den Weg zur gebundenen Ganztagsschule zu ermöglichen, scheint nicht erwünscht. Hier verspielt die Politik die Chance einer sinnvollen Konzeptentwicklung eines ganzen rhythmisierten Schultages und damit auch die Möglichkeit für viele Beschäftigte, in Vollzeit arbeiten zu können.  

Es braucht neue Personalkonzepte

Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz soll für Schüler*innen auch in den Ferien gelten. Länder können dabei die Schließzeit des Ganztags selbst regeln. Bis zu vier Wochen OGS-Betriebsschließung im Jahr sind möglich. Für OGS-Beschäftigte sind das folglich 20 Arbeitstage, die in die Schließzeit fallen. Mit einem Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr fallen Fachkräfte somit jedoch an zehn Tagen im laufenden OGS-Betrieb aus. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten, da Personalausfälle aufgrund von Krankheit, Fortbildungen und Überstundenabbau hinzukommen. Hier braucht es neue Personalkonzepte, um Überlastung entgegenzuwirken. 

OGS-Plätze für über die Hälfte aller Kinder abgedeckt

Um den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ab 2026 zu erfüllen, müssen für mindestens zwei Drittel der Grundschulkinder OGS-Plätze vorhanden sein. Im Haushalt 2023 stehen 715 Millionen Euro und 392.500 Plätze in der OGS zur Verfügung. Damit sind Plätze für über die Hälfte aller Kinder im Grundschulalter bereits abgedeckt. Es fehlen also nicht mehr viele Plätze, um den Rechtsanspruch zu erfüllen. Dennoch sind Verbesserungen für alle Beteiligten nicht in Sicht. Kurzum: Es wird sich mit Einführung des Rechtsanspruchs in NRW leider weder für Eltern, Kinder oder Beschäftigte viel zum Positiven ändern. Viel mehr stellt sich die Frage, wie die Politik einen Rechtsanspruch umsetzen will, wenn wir es nicht schaffen, mehr Fachkräfte für den Bereich zu generieren. 

Expertenbeirat – Gewerkschaften und Beschäftigte außen vor

Zur Vorbereitung des gesetzlichen Anspruchs auf einen Ganztagsplatz arbeitet jetzt ein Expertenbeirat mit 14 Fachleuten aus Wissenschaft, Schule und Co. zusammen. Die OGS-Beschäftigten werden lediglich von einer einzigen OGS-Leitung repräsentiert. Gewerkschaften und Verbände sind nicht vertreten. Der Beirat soll sich an einem gelingenden Ganztag aus der Sicht der Kinder orientieren. Schöne Idee, allerdings sollte die Politik auch die Menschen mit einbeziehen, die jeden Tag mit den Schüler*innen arbeiten. Das wäre Partizipation!  Wir als Gewerkschaft haben uns mit einem Schreiben an die zuständigen Ministerien als Dialogpartnerin angeboten und unsere Beteiligung eingefordert. Darauf folgte eine Einladung des Ministeriums für Schule und Bildung und des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration an die zuständigen Gewerkschaften und Verbände. Wir werden den Prozess weiter begleiten und unsere Forderungen einbringen. Es bleibt zudem zu hoffen, dass Regelungen wie Tariftreuebindung oder verbindliche Kooperationszeiten zwischen den Lehrkräften und dem pädagogischen Personal im Gesetz Berücksichtigung finden - dafür setzen wir uns ein. Auch Ressourcen für Vor- und Nachbereitungszeit der pädagogischen Arbeit muss die Regierung schaffen. Nicht zu vergessen: Wenn sich hinsichtlich der Bezahlung und der Ausgestaltung der Stellen zu sicheren, zufriedenstellenden Arbeitsplätzen nichts ändert, wird sich bis 2026 nicht genügend Fachpersonal finden lassen, um den Rechtsanspruch umsetzen zu können.  
 

Zum Hintergrund:

Mit dem Gesetz zur ganztägigen Förderung von Kindern im Grundschulalter (Ganztagsförderungsgesetz - GaFöG) vom 2. Oktober 2021 hat die Bundesregierung den Anspruch auf ganztägige Betreuung rechtlich verankert: Ab August 2026 sollen zunächst alle Erstklässler einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert und betreut zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren schrittweise ausgeweitet und greift ab August 2029 für jedes Grundschulkind der Klasse 1 bis 4.

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