In NRW gibt es bereits seit 2006 einen Sozialindex für die Verteilung von Ressourcen im Bildungsbereich. Warum hat die GEW nun die Studie in Auftrag gegeben? Ist der jetzige Sozialindex nicht ausreichend?
In NRW wird seit mehr als zehn Jahren ein Sozialindex verwendet, um sozial belasteten Grund- und Hauptschulen zusätzliche Stellen zuweisen zu können. Die Zahl dieser Stellen wird jährlich im Haushalt festgelegt. Im Schuljahr 2015/2016 waren es 1.273. Dieser Sozialindex misst aber nur die soziale Belastung von Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten und ist nicht bezogen auf die Einzelschule. Das muss sich endlich ändern. Zudem ist nicht zu begründen, dass es von der Schulform abhängig ist, ob eine Schule profitiert. Zum Beispiel erhalten Gesamtschulen mit schwierigem Umfeld keine Unterstützung. Mit dieser Studie wollen wir einen Anstoß geben für eine dringende Weiterentwicklung und Neuausrichtung dieses Instruments, um mehr Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu schaffen.
Was sind die zentralen Befunde der Studie?
Die Segregation der Bevölkerung, insbesondere in Ballungsräumen, nach arm und reich sowie zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund spiegelt sich in den Schulen wider. Insbesondere in den Grundschulen ist die Zusammensetzung der Schüler*innenschaft einer Schule eng mit der Sozialstruktur der schulischen Nachbarschaft verknüpft. Für den Bildungserfolg sind nicht nur individuelle Merkmale wie Leistungspotenzial und soziale Herkunft entscheidend, sondern auch der Besuch einer Schule in einem bestimmten sozialen Umfeld. Bei hoher Konzentration von Schüler*innen mit erheblichen Risikofaktoren kann es Schulen bei normaler Ressourcenausstattung trotz hohem Engagement nur schwer gelingen, ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen. In der Studie werden – auch mit Blick auf andere Länder – verschiedene Verfahren zur Ermittlung eines schulbezogenen Sozialindex diskutiert sowie die Elemente eines ganzheitlichen Steuerungskonzepts dargestellt.
Im Mai wird in NRW eine neue Landesregierung gewählt. Welche Forderungen ergeben sich aus der Sozialindex-Studie für die kommende Legislaturperiode?
Die Folgerungen aus der Studie können so zusammengefasst werden: Erstens muss in NRW ein schulscharfer Sozialindex berechnet werden, der sowohl für die Ressourcensteuerung als auch für den fairen Vergleich von Leistungsdaten verwendet werden kann. Zweitens braucht NRW für eine sozialindizierte Ressourcensteuerung ein ganzheitliches Konzept, das einen effektiven Einsatz der zusätzlichen Stellen unterstützt und gegebenenfalls eine Nachsteuerung ermöglicht. Auch für den Ganztag sollten auf dieser Basis zusätzliche Ressourcen bereitgestellt werden. Außerdem müssen die Ursachen für segregierte Schulen und Lerngruppen entschärft werden. Zum Beispiel dürfen die Schulen mit schwieriger Ausgangslage nicht überproportional mit den Herausforderungen der Inklusion und Integration belastet werden – genau das passiert aber zurzeit. Zudem müssen Schulen in sozialen Brennpunkten in gebundene Ganztagsschulen umgewandelt werden. Die Lehrerfortbildung muss des Weiteren auf den Schulstandort fokussiert werden und Schulnetzwerke müssen als Entwicklungsstrategie genutzt werden. Für eine intensive Elternarbeit brauchen diese Schulen Unterstützung.
Die Fragen stellte Anja Heifel.