Der fachliche Kommentar, der jetzt dem Ministerium für Schule und Bildung NRW (MSB) vorliegt, bezieht sich auf Rechtsvorschriften wie der Ordnung des Vorbereitungsdienstes (OVP), der Ordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung von Seiteneinsteiger*innen (OBAS), der Lehramtszugangsverordnung (LZV) und der Anerkennungsverordnung Berufsqualifikation Lehramt.
Generell beziehen sich die vorgesehenen Änderungen auf sowohl ausbildungsbezogen beziehungsweise schulpolitisch bereits getroffene Entscheidungen des MSB umsetzen und darüber hinaus auch Handlungskonsequenzen, die das Ministerium aus dem Bericht gezogen hat.
OVP: Neue Regelungen zu Ausbildungs- und Bewertungsformaten auf Distanz
Eine Reihe von neuen Vorschriften der OVP dienen zur Klarstellung und sind längst überfällig: So soll ein Nachweis zum Studienabschluss alternativ zum Zeugnis auch als Bestätigung der Hochschule in elektronischer Form möglich sein – wird den Stress der Beteiligten in der Abschlussphase des Studiums mindern. Richtig und schon lange von der GEW NRW gefordert ist die jetzt deutlich kodifizierte Möglichkeit für schwerbehinderte Lehramtsanwärter*innen (LAA), den Vorbereitungsdienst auch in Teilzeit zu absolvieren.
Die Aufnahme von Regelungen zu Ausbildungs- und Bewertungsformaten auf Distanz sind insbesondere aus ausbildungs- und prüfungsrechtlicher Sicht im Sinne der Rechtssicherheit aller Beteiligten begrüßenswert. Die GEW NRW hält eine Präzisierung für erforderlich, dass Formate auf Distanz zwar eine Alternative darstellen, aber lediglich im begründeten Ausnahmefall.
Kritik am Vorhaben zur Lehrkräfteversorgung: Zwang kann nicht die Lösung sein!
Deutliche und ablehnende Kritik erntete allerdings die Aufnahme des Kriteriums „Lehrerversorgung“ im Zusammenhang mit der Verteilung der Ausbildungsplätze auf Schulformen sowie der Verteilung der Bewerber*innen auf Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL).
Per Verordnung könnten damit Lehramtsanwärter*innen für ihr Referendariat gezielter in „Bedarfsregionen“ – also solche mit einer Unterversorgung an Lehrer*innen – eingesetzt werden. Die damit verbundene Hoffnung auf einen „Klebeeffekt“ teilt die GEW NRW nicht: Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass ein solcher Zwang tatsächlich dazu führt, dass eine nennenswerte Anzahl von Lehramtsanwärter*innen nach dem Vorbereitungsdienst auch in der Region bleibt. „Statt einer solchen Steuerung über Zwang, könnte gegebenenfalls ein Anreizverfahren diskutiert werden“, heißt es in der Stellungnahme. Zur Lösung des schulform- und fachspezifischen Lehrkräftemangels braucht es andere und grundsätzlichere Lösungen.
Kompetenzen und Standards für die Lehrkräftebildung aus der Reform 2009 beibehalten
Widersprüchlich und nicht nachvollziehbar ist nach Auffassung der GEW NRW, wenn in Anlage 1 der OVP die Formulierung der Kompetenzen und Standards für die Lehrerbildung – zwischenzeitlich den weiterentwickelten Standards des Kultusministeriums (KMK) angepasst – zwar übernommen wird, aber dort der „Handlungsfeldbezug“ gestrichen werden soll. „Handlungsfeldorientierung“ war neben „Personenorientierung“, „Standardorientierung“ und „Wissenschaftsorientierung“ eines der konzeptionellen Prägemerkmale für die Reform des Vorbereitungsdienstes ab 2009 und Grundlage für ein kompetenzorientiertes Kerncurriculum des Vorbereitungsdienstes in NRW dienten.
OBAS: Besserer Zugang zu, aber fehlende Maßnahmen für Grundschulen und für die sonderpädagogische Förderung
Durch Modifikation des § 3 der OBAS soll der Zugang zu diesem Ausbildungsformat flexibler gestaltet und die Entscheidung über die Teilnahme vereinfacht werden. Dazu soll auf eine quantitative Mindestanforderung hinsichtlich der fachwissenschaftlichen Studienleistungen verzichtet werden, weil – so die Begründung des MSB – häufig grundsätzlich geeignete Bewerber*innen nicht unmittelbar zum berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst zugelassen, sondern auf die Möglichkeit des Nachstudiums verwiesen wurden.
Die GEW NRW wertet den Verzicht kritisch, da somit jegliche Orientierungsgröße fehlt. Eine sinnvolle Alternative wäre es, vereinfachte Zugangswege zu einem Nachstudium der relevanten Ausbildungsmodule anzubieten – entweder integrativ oder mittels digitaler Angebote, für die die Fernuniversität Hagen eine zentrale Funktion übernehmen könnte.
In diesem Zusammenhang moniert die GEW NRW in der Stellungnahme abschließend, dass die Gelegenheit verpasst wurde, endlich auch adäquate Maßnahmen im Bereich des berufsbegleitenden Vorbereitungsdienstes für Grundschulen und für die sonderpädagogische Förderung zu verankern.
Berthold Paschert, Experte für Lehrkräftebildung der GEW NRW