Zum Start ins neue Schuljahr bedankt sich die GEW NRW bei ihren Mitgliedern und allen in Schule Beschäftigten für ihr außergewöhnliches Engagement vor Ort in den vergangenen Monaten! NRWs Lehrer*innen haben trotz häufig wechselnder und widriger Rahmenbedingungen maßgeblich zum Erfolg des letzten Schuljahres beigetragen. Und Schüler*innen und ihre Familien haben bei Homeschooling und Distanzunterricht Enormes geleistet. Ein Ende der Pandemie ist nicht in Sicht, die Herausforderungen bleiben. Wo stehen wir nach 17 Monaten Pandemie? Und auf welche Unterstützung können Schulen jetzt bauen?
Unsere vier Säulen fürs Pandemie-Schuljahr 2021/2022 in NRW
Vieles soll besser als im vergangenen Jahr organisiert werden, versprach Yvonne Gebauer auf ihrer Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt. Aber wir sind nicht da, wo wir sein könnten, meint die Bildungsgewerkschaft. Die GEW NRW nimmt die Vorschläge des Ministeriums für Schule und Bildung NRW für das Schuljahr 2021/2022 kritisch unter die Lupe und geht mit Fakten und Forderungen voran.
NRWs Schulministerin schlägt mit ihrem Förderprogramm zu extra Zeit, extra Geld und extra Personal einen Weg ein, der viele unserer Forderungen aufnimmt. Das begrüßen wir ausdrücklich. Die Auswirkungen der Pandemie machen aber deutlich, dass das nicht genügt. Deshalb fußt Sofortprogramm der GEW NRW auf vier Säulen
- Infektionsschutz erhöhen
- Pandemiefolgen auffangen
- Schulen personell unterstützen
- Digitalisierung vorantreiben
Erste Säule: Infektionsschutz an Schulen deutlich verbessern!
Wenn die Landesregierung „größtmögliche Normalität“ zum Schulstart verspricht, müssen wir festhalten: Beim Infektionsschutz sieht die GEW NRW deutliche Lücken! Lüften und Frieren können nicht die Lösung sein. An dieser Stelle sind wir kaum weiter als im letzten Jahr. Mit großer Sorge sehen wir, dass die Landesregierung die Inzidenz als weniger wesentlich betrachtet. Präsenzunterricht darf nicht losgelöst von der Inzidenz umgesetzt werden. Wie bei den fehlenden Luftfiltern geht man hier mit allen Beteiligten ins Risiko.
Zur Erhöhung des Infektionsschutzes sind mobile Impfteams ein sinnvolles Element. Wir begrüßen sie als freiwilliges Angebot für alle, für die die Impfstoffe empfohlen sind und unterstützen das Vorhaben des MSB. Die Anregung der GEW NRW, „Tage des Impfens“ an Schulen einzuführen, hat das MSB aufgenommen.
Zweite Säule: Soziales Ankommen der Kinder und Jugendlichen in den Fokus nehmen!
Unsere Kolleg*innen sind hoch motiviert, alle Schüler*innen bestmöglich am Unterricht teilhaben zu lassen. Dafür benötigen sie die besten Rahmenbedingungen, um die Pandemiefolgen aufzufangen. Schüler*innen und Lehrer*innen brauchen Zeit und Raum. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, dass Yvonne Gebauer unsere Forderungen aufgenommen hat und Schulen unterstützen will.
Bei der Größenordnung der sozialen Verwerfungen der Pandemie ist eine langfristige Perspektive über den 31. Dezember 2022 hinaus unbedingt notwendig! Und wenn man berücksichtigt, dass das Bildungssystem auch ohne Corona-Pandemie soziale Ungleichheiten nicht abfedert, müssen die gesamten Bildungsbiografien in den Blick nehmen – und zwar von der frühkindlichen Bildung bis zur Hochschule. Teilweise müssen Schüler*innen erst an das soziale Lernen in der Schule herangeführt werden. Das wird nicht so nebenbei gelingen.
Dritte Säule: Personelle Ausstattung an Schulen endlich korrigieren!
Vor der Pandemie fehlten Lehrkräfte an den Schulen – zur Bewältigung der Folgen der Pandemie fehlen sie noch mehr. Der Lehrkräftemangel ist mittlerweile chronisch: Seit Jahren werden beispielsweise im Grundschulbereich die Hälfte der ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt. Das MSB hat zwar Maßnahmen zur pandemiebedingten besseren Ausstattung geplant, sie lösen aber nicht das grundlegende Problem. Das Land muss dringend in größere Studienkapazitäten investieren und gleichzeitig dafür sorgen, dass das Lehramt an Schulen attraktiver wird.
Das fängt bei der Bezahlung an: NRW muss endlich die verfassungswidrige Besoldungsstruktur beseitigen und alle Lehrer*innen im Einstiegsamt gleich – nämlich mit A13 Z – vergüten. Mit dem Lehrkräftemangel hängen auch die Investitionen ins Bildungssystem zusammen. Wenn NRW Bildungsland sein möchte, ist für niemanden nachvollziehbar, warum im Bundesvergleich die Bildungsfinanzierung derartig hinterherhinkt. Wer beste Bildung propagiert, muss beste Bedingungen schaffen. Die chronische Unterfinanzierung des Bildungssystems darf nach Corona nicht fortgesetzt werden.
Vierte Säule: Digitalisierung an Schulen vorantreiben!
Auch wenn Fortschritte in der Digitalisierung an NRWs Schulen zu verzeichnen sind, bleibt ein weiter Weg zu gehen, um die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte aufzuholen. Anfang Juni hat die GEW mit einer bundesweit repräsentativen Befragung Probleme bei der Digitalisierung aufgezeigt – NRW bildet hier keine Ausnahme: Nur die Hälfte der Schulen verfügt über WLAN für alle Schüler*innen. Nur knapp 30 Prozent der Räume sind so eingerichtet, dass digitales Lehren und Lernen unterstützt wird. In vielen Klassenräumen in NRW regiert noch immer der Overheadprojektor. Und selbst wenn die digitalen Endgeräte vorhanden sind – wer wartet sie? Wer ist Ansprechpartner*in bei technischen Schwierigkeiten?
Hier braucht es Systemadministrator*innen, die Schulen, Schüler*innen und Lehrkräfte unterstützen. Dazu gehört, den Ausbau der Digitalisierung in den Kontext zu setzen: Der eine Teil der Wahrheit ist, dass NRW bei der Digitalisierung große Schritte nach vorne machen muss. Der andere Teil der Wahrheit ist, dass an NRWs Schulen der Putz bröckelt. Niemand kann Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern erklären, warum in einer Pandemie ein funktionierendes Waschbecken im Gebäude schon fast Luxus ist.
Ayla Çelik, Vorsitzende der GEW NRW