Aufbrechen für die Zukunft der Grundschulen

Schule gut beginnen und Pädagog*innen wertschätzen

„Auf den Anfang kommt es an“ betonte Erziehungswissenschaftler Prof. i.R. Dr. Jörg Ramseger beim ersten Fachgespräch Grundschule der GEW NRW. Damit Lernen und Lehren gelingen kann, muss Zeit bleiben für Reflexion und Selbstreflexion.
Aufbrechen für die Zukunft der Grundschulen

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Am 18. Juni 2018 lud die Fachgruppe Grundschule zur Auftaktveranstaltung zur Kampagne „AUFBRECHEN Zukunft Grundschule“ ein, um gemeinsam mit dem Erziehungswissenschaftler Prof. i.R. Dr. Jörg Ramseger und Vertreter*innen politischer Parteien auszuloten, wie die Zukunft der Grundschule in NRW gestaltet werden muss.

Aufbrechen bedeutet, vergleichbare Lern- und Lehrbedingungen zu schaffen
„Auf den Anfang kommt es an“, das betonte Prof. i.R. Dr. Jörg Ramseger in seinem Vortrag. Es ist sicher, dass ein hoher Zusammenhang zwischen frühkindlicher Bildung und dem Schulerfolg besteht. Er wies auf den hohen Anteil der Grundschullehrer*innen an der Entwicklung sozialer Kompetenzen der Kinder hin. Diese Leistung werde nahezu übersehen, könne aber angesichts der aktuellen politischen Lage nicht hoch genug bewertet werden. Grundschulen bilden einen „friedensorientierten Gegenpol zu Hassgedanken“, üben gewaltlose Konfliktregulation ein und tragen so zur Stabilisierung der Demokratie bei.
Allerdings sind die Möglichkeiten der Schulen sehr unterschiedlich. Von vergleichbaren Lernbedingungen für alle Kinder sei das Land Nordrhein-Westfalen mit seinen Grundschulen weit entfernt. Wenn in Schulklassen die sozialen und sprachlichen Probleme überwögen, sei ein geordneter Schulbetrieb nicht mehr möglich. Jörg Ramseger fordert, die besten Lehrkräfte dort einzusetzen, wo der Mangel am größten ist sowie finanzielle und personelle Unterstützung für besonders belastete Standorte.

Aufbrechen bedeutet, die Kompetenz der Pädagog*innen anerkennen

Damit Lernen und Lehren gelingen kann, brauchen Schüler*innen, aber auch ihre Lehrkräfte vor allem Denkzeit für Reflexion und Selbstreflexion. Über Fragen des fachlich angemessenen Methodeneinsatzes habe nicht die Politik zu entscheiden, sagt der Erziehungswissenschaftler. Dies solle den Lehrkräften und Pädagog*innen im Schuldienst vorbehalten sein, die in einem adaptiven Unterricht verschiedene Lernangebote für unterschiedliche Kinder einsetzen würden.

Die Politik habe für die erforderlichen Finanzmittel zu sorgen. Der populistischen Kritik an der Methode „Lesen durch Schreiben“ setzt Jörg Ramseger wissenschaftliche Erkenntnisse entgegen und bezeichnet die Verschriftlichung analog zur Klangstruktur als natürlichen Schritt auf dem Weg zum Schrifterwerb. Die Landesregierung plant hingegen, die methodischen Entscheidungen der Lehrkräfte durch eine Handreichung zur Umsetzung der Rechtschreibung einzuschränken.

Aufbrechen bedeutet, einen radikalen Umbau des selektiven Systems zu vollziehen

Im Zusammenhang mit der Inklusion spricht sich der Erziehungswissenschaftler für einen Paradigmenwechsel und den radikalen Umbau des selektiven Systems aus. Inklusion stehe im Gegensatz zu Wettkampf und Zensuren. Er plädiert dafür, an die guten Erfahrungen integrativer Lerngruppen anzuknüpfen, die unter guten Bedingungen gute Arbeit geleistet haben. Die Zahl der integrativ arbeitenden Schulen müsse sukzessive durch ansteigende finanzielle und personelle Ressourcen ausgebaut werden. Verzweiflung über völlig unzureichende Bedingungen treibe die Pädagog*innen derzeit in die Resignation.

Susanne Huppke, Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW